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Trailrunning: Pause von meinen Monstern im Kopf

📸 WEINERTphotography

Was ist Trailrunning überhaupt?

Trailrunning ist eigentlich nichts anderes als Laufen abseits asphaltierter und anderweit befestigten Wege.

Trail bedeutet wörtlich übersetzt so viel wie Spur oder Pfad. Und Pfade findet man überall. Egal ob Wald-, Wiesen- oder Schotterwege, in der Natur kann man sehr vielfältig unterwegs sein. Prinzipiell gilt alles als Trail, was kein befestigter oder gekennzeichneter Fußweg ist. Also ein Läufchen auf dem Waldweg oder im Park kann bereits als Trailrunning bezeichnet werden und ein Läufer der den Gehsteig verlässt, darf sich Trailrunner nennen😉 Also ist Trailrunning entgegen mancher Meinungen kein Extremsport.

Wie überall gibt es natürlich Unterschiede zwischen den Trailrunnern und dadurch unzählige Abstufungen für das Laufen in der Natur (z.B. Crosstrails, Ultratrails, Citytrail, Skyrunning…) Wen das genauer interessiert, darf gerne in die unendlichen Weiten des Internets eintauchen). Allein Google spuckt bei dem Begriff innerhalb von Sekunden zahlreiche Infos aus .

Googlesuche am 28.02.2021

Mein Weg zum Trailrunning

👉 Und wieder kann ich hier nur für mich sprechen: denn was mir hilft, kann bei euch oder andere einen ganz anderen Effekt haben

In diesem Blogartikel beschrieb ich bereits, wie mir Laufen hilft mehr psychische Stabilität zu erreichen und so einen wichtigen Therapiebaustein für mich darstellt.

Ich bin schon immer gerne in der Natur unterwegs gewesen und alle Wanderer, Hundebesitzer, Mountainbiker, Reiter, Kletterer, Fahrradfahrer, Spaziergänger, Geocacher und alle anderen Outdoorfans stimmen mir wahrscheinlich zu, dass die Zeit draußen an der frischen Luft unheimlich gut tut, oder?

kurzer Blick in die Vergangenheit

Bevor mich meine Monster im Kopf aus der Bahn geworfen haben und sich die ersten Symptome der Traumafolgestörungen bemerkbar machten, verbrachte ich sehr viel Zeit mit Freunden mit draußen beim Mountainbiken, Klettern, Kajakfahren, Höhlentouren und noch einiges mehr was man in dieser Zeit als Erlebnispädagogik bezeichnete. Wir schlossen uns zu einer Gruppe zusammen, die Kindern und Jugendlichen mit den unterschiedlichsten Outdoor-Abenteuer die Natur und dadurch auch den notwendigen Schutz näherbrachten. Frei nach dem Motto: „nur was ich kenne, kann ich auch schützen“. Dieses ehrenamtliche Engagement war ne sehr schöne Zeit für mich, während der ich sehr viel lernen und für mich mitnehmen konnte.

Klettersteig mit Kindern
eigene Aufnahme 2005

Doch auch in dieser Zeit bemerkte ich immer wieder „Aussetzer“, die ich damals aber nicht zuordnen konnte und ignorierte. Außer mir hat es niemand gemerkt und so schob ich diese Erfahrungen in Richtung Einbildung, Spinnerei, Phantasie….

Doch je mehr mich mein Beruf forderte, um so weniger Zeit blieb für diese Hobbies. Ich steckte alle meine Energie in meinen Job, der von vielen Auf und Abs gekennzeichnet war. Ich versuchte meine Energiespeicher hauptsächlich durch Schlafen und Ausruhen an Feierabenden und Wochenenden aufzufüllen. Am Arbeitsplatz funktionierte ich lange und niemand bemerkte, wie ich außerhalb der Arbeitszeit mit meinen Monstern im Kopf kämpfte, die mit meiner Leistung nie zufrieden waren und mir jeden Abend Angst vor Arbeitslosigkeit und sozialen Abstieg machten. Irgendwann konnte ich diese Angst auch tagsüber nicht mehr verdrängen und Panikattacken bahnten sich unaufhaltsam ihren Weg. Ich stand jeden Morgen mit Angst, Bauchschmerzen auf und kämpfte mich in die Firma. Dort „verschwand“ die Angst aus meinem Blickfeld und ich funktionierte (ein ehemaliger Arbeitskollege teilte mir später bei einem Besuch in der Klinik mit, dass man mir die ganze Zeit nichts angemerkt hatte und er nie damit gerechnet hätte, dass ich mit „Burn Out“ ins Krankenhaus komme.)

Als es dann zusätzlich noch zu familiären Problemen kam, übernahmen meine Monster im Kopf die Kontrolle und knockten mich aus. Egal wie sehr ich mich anstrengte, mich selbst in den Hintern trat und mein Umfeld Druck machte, mein Körper streikte. Ausruhen, Krankschreibung, Medikamente und Urlaub halfen einfach nicht. Auch nachdem mein Behandler eine schwere Depression diagnostizierte und laut Empfehlungen „Aktivität“ die beste Therapie sei, kehrte die Kraft nur langsam zurück, um sich bei der nächsten Krise (und davon gab es zahlreiche) wieder komplett in Luft aufzulösen.

Verletzungen an Schulter, Knie und Rücken begleiteten mich zusätzlich und hielten sich nicht an die Heilungsdauer, die die Krankenkasse vorgegeben hatte. Sie sorgten eher für weitere Amokläufe meiner Monster im Kopf und ein kaum vorhandenes Energielevel. Ebenso zerrten die inzwischen eingetretene Arbeitslosigkeit und die dadurch notwendigen Kontakte mit der Arbeitsagentur (die psychische Erkrankungen irgendwo zwischen Faulheit und Einbildung einsortierte) und Anwälten für Arbeitsrecht, an meinen kaum noch vorhandenen Nervensträngen.

Aber das ist eine ganz eigene Geschichte und wird irgendwann mal einen eigenen Blogbeitrag bekommen (sind momentan für mich noch zu viele aktuell belastende Trigger)

Auf der Suche nach (neuen) Kraftquellen

Nach diesem kurzen Ausflug in meine Vergangenheit fragt ihr euch sicher zurecht, was das nun mit Trailrunning zu hat, oder?

Mein „Fehler“ (aus Unwissenheit) bestand damals darin, dass ich statt meine Belastungen meine Energiequellen reduzierte. Meine Monster im Kopf vertraten nämlich die Meinung: „erst die Arbeit – dann das Vergnügen“ und hämmerten mir diesen Satz damals täglich in den Kopf rein. Das Problem war aber, dass „meine Arbeit“ (wie so oft in Sozialen Berufen) nie endete und somit gefühlt keine Zeit für mein Vergnügen blieb. Vielleicht war es auch mein „Helfersyndrom“, dass mich nach dem offiziellen Feierabend nicht zu Ruhe kommen lies, da ich auch zuhause oft grübelte, wie ich meinen(!?🤦‍♀️) Schützlingen noch helfen konnte. Denn ganz oft gab ich mir die Schuld, wenn meine angebotene Hilfe nicht anschlug.

Mein Bike und ich
📸 2013 WEINERTphotography

Mir ist erst jetzt – also viele Jahre später – klar geworden, wie wichtig für mich die Natur ist, um meine Akkus aufzuladen und mein psychisches Gleichgewicht zu erreichen.

Zusammen mit Freunden erkundete ich in früheren Zeiten (Früher? Oje, jetzt werde ich ich alt 🤣) mit dem Mountainbike die nähere Umgebung. Doch nach meinen längeren krankheits- und verletzungsbedingten Auszeiten rückte das Mountainbiken immer weiter aus meinem Blickfeld. Außerdem mutierte ich mit der Zeit immer mehr zum Schönwetter-Biker, da ich nach einem Einbruch im Keller mit Fahrrad- Diebstahl, mein Bike lieber in der Wohnung aufbewahre und auch mangels Waschplatz trockene Straßen bevorzuge. Da sind schlammige Laufschuhe doch unkomplizierter und leichter zu reinigen. 😉
Und so wurde das Laufen zu meiner bevorzugten Sportart, auch weil die Laufschuhe viel einfacher zu transportieren sind und Laufen so fast überall ohne große Vorbereitungen möglich ist.

Tja und dann kam Corona!
Alle Laufveranstaltungen gecancelt und bis jetzt ist auch nicht klar, wann große Laufevents wie Stadtmarathons wieder stattfinden können.

Also brauchte ich für mich Alternativen zu den Trainingsplänen, die mich auf den Halbmarathon vorbereiten sollten, mir auch Abwechslung und Struktur boten. Gut, dass es Mitglieder DER einzig wahren LAUFCREW gibt, die das Trailrunning schon lange für sich entdeckt hatten und mich in die Geheimnisse des Laufens abseits der ebenen Laufstrecken einführten. Daaaanke 🤗🥰!!!
Plötzlich eröffneten sich mir viele neue Laufstrecken und jede Menge Abwechslung direkt ab der Haustür. Kein Lauf ist wie der andere und niemals langweilig.

Faszination Trailrunning

Laufen auf den Pfaden meiner Heimat fordert meine ganzen Sinne und meine Monster im Kopf haben Pause. Ich tauche ein in die Natur und weil ich mich auf die Strecke viel mehr konzentrieren muss, tauche ich voll in die Umgebung ein. Für mich gehört aber auch dazu, dass ich meinen Lauf unterbreche, um Ausblicke zu genießen, Fotos und Filme zu machen oder Tiere zu beobachten.

2 Gipfel Trailrun
🎬 eigenes Video 2020

Gerne biege ich unterwegs einfach mal auf mir unbekannte Pfade ab und gucke wo ich rauskomme. So habe ich schon viele neue tolle Trailabschnitte und wunderbare Orte entdeckt und meine Laufrouten erweitert. Langweilig wird’s auf den Trails auch nicht: wechselnde Beanspruchung der Muskeln gehört hier für mich dazu, denn der Untergrund erfordert eine ständige Aufmerksamkeit und Konzentration. Auf der Straße oder Stadt trottet man einfach vor sich hin, während man beim Trail laufen einfach immer den direkten Kontakt zur Natur hat, spätestens wenn man mal eine Wurzel übersehen hat. 🤣🤣

Es gibt mir dieses großartige Gefühl von purer Freiheit und Unabhängigkeit auf dem Trail, nichts zählt mehr, nur der Augenblick, ich bin einfach im Hier und Jetzt, der Kopf wird wirklich richtig frei. Manchmal ist es wirklich anstrengend, gerade bergauf. Aber dann stehe ich irgendwann verschwitzt und erschöpft auf einem Gipfel, schau umher und weiß wieder so genau, warum ich das mache. Und am Ende war es ein guter Lauf, wenn man es in allen Zügen genossen hat, nicht wenn man eine bestimmte Pace erreicht hat.

Rund um den Hausberg
🎬 eigenes Video 2020
🎶 Musik: Rolf Zuckowski und seine Freunde „es schneit“

In sportfreien Zeiten und nötigen Laufpausen plane ich gerne neue Trailsstrecken, indem ich mir interessante Ziele, z.B. ein Gipfel, eine Burg, ein See, ein Aussichtspunkt in der näheren Umgebung suche und mit Hilfe einer App die potentiellen Wegpunkte mit (Rund-)Wegen verbinde. Bei der nächsten Gelegenheit wird dann diese Strecke vor Ort mit Hilfe von GPS nachgelaufen. Meistens klappt das ganz gut – manchmal entstehen aber auch Zusatzkilometer, da ein anderer Trail zu verlockend war (böse Zungen behaupten, das wäre Verlaufen 😛😛)
Diese Recherche und Planungsaktivitäten lenken meine Monster gut vom „Chaos veranstalten“ ab und so landen diese Strategien (neben Malen, Blog schreiben) auf der Liste mit wirksamen, aber nicht-sportlichen, Skills zur Ablenkung von Traumaerinnerungen.

Auch das Bearbeiten von Fotos und kleinen Filmchen, die auf den Trailstrecken entstanden, befindet sich auf dieser Liste mit Aktivitäten, die neben dem Sport für mehr psychische Stabilität sorgen können. Für die spektakulären Aufnahmen auf den Trails darf ich seit Anfang des letzten Jahres eine GoPro (Actioncam) mein Eigen nennen und so macht das Filmen, Fotografieren noch mehr Spaß – ohne dass ich Angst haben muss, dass mein Smartphone mit dem ich vorher versuchte coole Aufnahmen zu machen, Schaden nimmt.

Für Action-Aufnahmen nehme ich mir unterwegs auch gerne etwas mehr Zeit – sei es ein Sprung über einen Bach, ein kurzer Kletterabschnitt oder ein Laufbild vor einer Felsenformation. Doch da ist noch viel Luft nach oben und ich freu mich immer mega, wenn ich ein tolles Motiv finde und meine Mitläufer sich bereitwillig als Modell zur Verfügung stellen. Oft ist mein Gehirn dabei so beschäftigt, wenn ich die Kamera bei Selbstaufnahmen positioniere oder mit Hilfe von diversen Halterungen versuche den perfekten Blickwinkel zu finden, dass wirklich kein Platz für die lauten Monsterstimmen im Kopf bleibt.

Es gibt noch soooo viel zu entdecken und ich bin dabei mir meine Strecken, die vor vielen Jahren mit dem Mountainbike abgefahren bin, nun in Trailschuhen zurückzuerobern. 💪💪

Birkensee Trail
🎬 eigenes Video 2020

Solche Tage ermöglichen mir die nötigen Auszeiten von meinen Monstern im Kopf und geben mir neue Energie für die laufende Traumatherapie, die sehr viel Kraft kostet – manchmal auch so viel, dass keine mehr für`s Trailrunning übrig ist und nur noch Schlaf hilft, um die Reserven aufzufüllen.

Therapie ist kein Spaziergang
und für mich oft auch anstrengender als ein Halbmarathon.

Ein Gedanke zu „Trailrunning: Pause von meinen Monstern im Kopf“

  1. Sehr schön zu sehen wie Dich das Trailrunning ablenkt und temporär die lästigen Monster keine Chance haben dich in ihren Bann zu ziehen!! Hoffentlich trägt es unter anderen dazu bei, eines Tages ganz frei zu werden 🙏 🍀
    In den Videos werden sehr tolle Erinnerungen wach😍😍 von den Läufen.
    Ein sehr ausführlicher und interessanter Bericht von Dir!! Sehr gut 👍👍

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