Zum Inhalt springen

Manchmal ist Laufen das Einzige was Sinn macht

Die Leser, die schon länger meinem Blog folgen, wissen es bereits: Laufen hilft mir, in meinem Leben mehr psychische Stabilität zu erreichen. Und warum das so ist, möchte ich in diesem Blogartikel beschreiben.
(Die Geschichte, wie ich zum Laufen kam findet ihr hier)

Vorbemerkung: Du machst nicht’s falsch, wenn Laufen dir nicht hilft, dich besser zu fühlen. Es kann sein, dass für dich andere Aktivitäten hilfreich sind,  wie z.B. Fotografieren, Stricken, Malen, Yoga, Fahrradfahren, Wandern, Lesen, Tanzen, Schreiben, Sammeln, Kochen…egal was. Wichtig ist nur, dass es dir gut tut und du es auch alleine machen kannst, also unabhängig von anderen bist. Ich will also niemanden bekehren und unter Druck setzen mit „Laufen ist das einzig Wahre!“ Es geht um meine Erfahrungen und warum mir Laufen hilft, besser mit meinen Monstern im Kopf klar zu kommen. Das kann bei dir ganz anders sein und das ist total okay.

Die letzten Monate bin ich sehr viel gelaufen – mehr als die Wochen davor. Mein Klumpen im Bauch macht sich immer noch bemerkbar – manchmal mehr, manchmal weniger. Meine Monster im Kopf lassen mich dieses Thema einfach nicht abschließen und sorgen immer wieder dafür, dass kurze Erinnerungen vor meinem inneren Auge aufblitzen und mein Gedankenflipper anspringt – vermutlich ausgelöst durch diverse Trigger.

Sport reduziert Anspannung und Unruhe

Diese ständigen Rückblenden lösen bei mir inneren Stress aus, das bedeutet sämtliche Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol steigen im Blut an und sorgen für die Vorbereitung meines Organismus in den Kampf – bzw. Fluchtmodus. Der Anstieg der Stresshormone sorgen bei mir für das Gefühl der inneren Anspannung und Unruhe – Ein Gefühl von „Hab acht!“ und „gleich passiert was!“.

Skizze Stressregulationsniveau

Durch meine Traumafolgestörungen, i. S. Erfahrungen von traumatischen Stress ist meine Stressverarbeitung im Gehirn gestört und überstrapaziert. Das bedeutet, dass es mir sehr schwer fällt, mich und mein Stressniveau zu regulieren und im grünen Bereich einzupendeln (Stressegulationsstörung). Ich befinde mich ganz oft entweder im Bereich der Untererregung (Hypoarousal) und im Bereich der Übererregung (Hyperarousal) – beide Zustände sind für mich unangenehm und schlecht auszuhalten.

Gerade im Ruhezustand (unterer Bereich des Toleranzfensters), wo eigentlich Entspannung angesagt (z.B. beim Einschlafen) ist, sorgen meine Monster im Kopf für Gedankenchaos und Flashbacks. Das ich das nicht toll finde, kann sich jeder vorstellen und ihr könnt vielleicht nachvollziehen, warum ich mich mit Maßnahmen zur Entspannung nicht anfreunden kann.

Diese Flashbacks und Gedankenflipper katapultieren mich dann sofort in den oberen Bereich der Übererregung. Angst und Panik sind die Folge und wenn es dann ganz schlimm kommt, sind die Trigger so massiv (v.a. wenn durch andere Menschen noch zusätzlich Druck gemacht wird i.S. von „Komm mal wieder runter, jetzt beruhig dich mal“) , dass ich komplett aus der Bahn geworfen werde und in den Bereich des Hypolarousels falle (Dissoziation/Depression/Erstarrung).

Im Moment ist der Sport, v.a. das Laufen eine der wenigen Möglichkeiten für mich die Stressregulation zu beeinflussen. Durch die Bewegung werden die Stresshormone abgebaut und ich komme leichter wieder runter. Aber die Bewegung hilf auch, um sich aus der Dissoziation/Erstarrung zu lösen – Aktivierung und sich wieder besser Spüren.

In der Traumatherapie werde ich hoffentlich noch weitere Möglichkeiten kennenlernen.

Sport als ein Stück Normalität

Gerade Menschen mit einer oder mehreren psychischen Erkrankungen sind leider immer noch überdurchschnittlich oft von Vorurteilen und Stigmatisierung betroffen. Sie werden ausgrenzt, ihre Krankheit nicht ernstgenommen oder manchmal sogar als gefährlich eingestuft. Doch jeder Betroffene ist mehr als seine Krankheit: das bedeutet es gibt Situationen in denen die Krankheit, die Symptome, die Einschränkungen durch die Krankheit keine Rolle spielen und der Mensch, wie ganz selbstverständlich er selbst sein kann – ohne Angst vor Ausgrenzung.

Bei mir ist das der Sport, der mir ein Stück Normalität zurück gibt. Bei anderen ist es vielleicht der Bereich Fotografie, Technik, Kochen, Musik oder ein anderes Hobby, in dem sich der Mensch sicher fühlt und seine Krankheit für eine gewisse Zeit in den Hintergrund rückt.

Gerade das Laufen sorgt bei mir für eine gewisse Konstante in meinem Leben, die mir eine gewisse Sicherheit gibt, wenn d z.B. Behörden mein Leben mal wieder kräftig durcheinander bringen und eine finanzielle Unsicherheit auslösen. Die Orientierung an einem Trainingsplan hilft mir meinen Tag zu strukturieren,, Ruhepausen einzuhalten oder mich auf die Zukunft (Laufevents) zu freuen ohne zu sehr in den Grübelschleifen über meine unsichere Zukunft hängen bleiben.

Auch im Fitnessstudio akzeptieren mich die anderen Sportler als ganz normales Mitglied. Dort spielen meine Monster im Kopf so gut wie keine Rolle (außer ich verliere wieder zu viel Gewicht, denn dann bekomme ich erneut Trainingsverbot 🙈🙈) und ich kann mich wie jeder andere an den Geräten austoben. Gespräche zwischen den Sportlern finden auf Augenhöhe statt und falls mein Bedarf an Smalltalk gedeckt ist, setze ich Kopfhörer auf. Ich muss keine Kraft aufwenden, um meine psychischen Symptome zu verstecken, sondern kann mich wie jeder andere die meiste Zeit aufs Training konzentrieren. Das tut mir so gut und lässt mich in dieser Zeit mich weniger als Außenseiter fühlen.

Laufen verbindet

DIE Laufcrew und keine Andere

Im letzten Jahr habe ich viele neue Menschen durch´s Laufen kennengelernt – und das trotz meiner Monster im Kopf. Es ist für mich momentan leichter über den Sport neue Bekanntschaften zu knüpfen, da es von Anfang an Gemeinsamkeiten gibt und meine Monster im Kopf erstmal so gut wie keine Rolle spielen. Auf die Frage „Und was machst du so?„, die mir sonst im sozialen Miteinander so schwer fällt und auf die ich oft keine zufriedenstellende Antwort parat habe, gibt es unter Läufern massig Gesprächsthemen, bei denen ich nicht mit, für mich unangenehmen, Fragen konfrontiert werde (z.B. was machst du beruflich? Was, du bist schon in Rente?!). Unter Läufern geht es eher um Trainingsplanung, Tipps, Laufstrecken, Essen, Verletzungen, Laufveranstaltungen und neue Laufstrecken, sowie Medaillen, Laufschuhe und -Kleidung, Trainingsergebnisse und Vergleich untereinander.

Gerade im Internet sind Läufer sehr aktiv und durch die unterschiedlichen Laufapps auch vernetzt. Da spielt es keine Rolle wie schnell oder langsam du deine Runde drehst, ob du Profi oder Anfänger bist – Hauptsache du schnürst regelmäßig deine Laufschuhe und hast Spaß daran dich zu bewegen.

Auch ich habe durch die Sozialen Medien Laufbekanntschaften geschlossen und im sogenannten Reallife, also im realen Leben außerhalb des WWW, sind wir inzwischen echte Freunde geworden, die ich nicht mehr missen möchte. Nicht nur gemeinsame Laufrunden und Teilnahme bei Laufveranstaltungen stehen auf dem Plan, sondern inzwischen auch andere Unternehmungen außerhalb des Sports (z.B. Besuch von Weihnachtsmärkten, Urlaubsplanungen). Inzwischen ist das Vertrauen auch so gewachsen, dass ich ganz offen über meine Monster im Kopf reden kann und auch meine Lauffreunde mich an ihren Erlebnissen und Sorgen teilhaben lassen und wir uns gegenseitig auch außerhalb des Sports unterstützen.
Laufen verbindet 🏃‍♀️💖🏃‍♀️

Laufen als Naturerlebnis

Den Wald und die Hügel des Nürnberger Lands fast vor der Haustür, Seen und Flüsse in laufbarer Entfernung – mein Läuferherz fühlt sich hier wirklich zuhause. Ich liebe es meine Laufschuhe zu schnüren und nach ca. 500 m schon in der Natur laufen zu dürfen. Gerade der Wald mit seinen Gerüchen und Geräuschen sorgt bei mir für eine gewisse Beruhigung im Kopf und reduziert meine innere Anspannung.

In Japan ist Waldbaden sogar eine allgemein anerkannte und staatlich geförderte Maßnahme zur gesundheitlichen Prävention und nennt sich Shinrin Yoku:

Shinrin Yoku (auf deutsch Waldbaden) bedeutet dabei das bewusste Spazieren oder Wandern durch einen Wald, der Natur und den Bäumen näherzukommen. Das kann vom Ausruhen und intensiven Betrachten von besonders schönen Plätzen bis hin zum Umarmen von Bäumen gehen. Auch Blätter in die Hand zu nehmen und die Finger richtig in den Waldboden zu stecken, sind häufig Teil des Shinrin-Yoku. Waldbaden zählt zur Natur- und Ökotherapie und kann sogar als Form des „City-Detox“ gesehen werden.

Quelle: Japan Welt

Japanische Studien zeigen nicht nur eine deutliche Minderung von Stress bei Großstädtern, die sich im Wald aufhalten. Das bewusste Waldbaden hat scheinbar auch einen positiven Einfluss auf den Blutdruck, die Kortisol-Level im Blut und den Puls. Sie alle sinken teils schon nach nur einer Stunde Aufenthalt in einem Waldgebiet. Daneben gibt es auch Hinweise darauf, dass der Wald eine positive Auswirkung auf das Immunsystem haben kann.

Genau das beschreibt mein Gefühl bei einem Aufenthalt in der Natur – egal bei welchem Wetter. Ich genieße mit allen Sinnen: den Duft von Wald nach dem Regen, den Geruch von frischgemähten Wiesen, das Rauschen von Wellen bei einem Strandlauf, das Knirschen von Schritte im Schnee im Winter, die Sonne auf der Haut im Sommer, den Blick ins Tal und in die Weite nach einem Berglauf, die Vogelstimmen auf den Bäumen und am Wegesrand.

Für einen Lauf um den See oder an einem Fluss entlang, nutze ich auch ab und zu das Auto, um an einen günstigeren Startpunkt zu kommen. Gerade bei den sogenannten Longruns (lange, langsame Dauerläufe) ist es angenehm neue, unbekannte Strecken zu suchen, die Abwechslung ins Training bringen und für verschiedene Naturerlebnisse sorgen. So hab ich auch gleich wieder Gesprächsstoff mit den Lauffreunden – online, wie offline.


Wer will, kann gerne in mein Trainingstagebuch schauen.
Dort gibt’s regelmäßig eine Kurzfassung, wie mein Training so läuft und wie es mir aktuell so mit meinen Monstern im Kopf geht. 🏃‍♀️🤯

Oder ihr stöbert in meinen Laufberichten und holt euch selbst ein wenig Inspiration/Motivation bei meinen geplanten Laufveranstaltungen 🏁🏃‍♀️💨

2 Gedanken zu „Manchmal ist Laufen das Einzige was Sinn macht“

  1. Hallo, es ist wieder sehr gut von Dir beschrieben! Du lässt uns intensiv mitfühlen was Du täglich mit Menschen erlebst und wie es Dir im Alltag oft so geht! Wir können es nur erahnen, aber was Du tatsächlich durchmachst und was im Kopf abgeht, weißt nur Du!
    Das Dich die Ruhe oder Meditation eher noch mehr aufwirbelt und deine Monster erst recht lästig werden, kann ich gut nachvollziehen! Ich bin auch nicht so ein Typ der soviel Ruhe braucht, zur „Entspannung“ brauche ich auch die Aktivität und die Zerstreuung finde ich auch beim Laufen!
    Es ist schön zu lesen, das Dir laufen hilft eine Struktur ins Leben zu bringen und Du im Sport motiviert bist! Der Wald tut dabei unheimlich gut, man nimmt trotz Laufschrittes die Gerüche vom Moos und Holz wahr und erdet sich somit selbst.
    Wiederum kannst du mit anderen Läufern diese Gemeinsamkeiten teilen und sie „verbinden“ JA,da hast du recht, da man merkt, man ist nicht die einzige verrückte hier auf der Welt! 😂
    Ich wünsche Dir, das die neue Therapie gute Ansätze findet, Dir weiterzuhelfen! Alles Gute für Dich 🤗

    1. Vielen lieben Dank für deine deine Rückmeldung. Ich freu mich immer sehr, wenn meine Texte gelesen werden und auch für die Leser nachvollziehbar sind.
      Mir ist es wichtig, dass Außenstehende verstehen, dass psychische Erkrankungen zwar auf den ersten Blick unsichtbar sind, leider jedoch große Einschränkungen im Alltag bewirken können.
      Doch genauso ist es mir wichtig zu zeigen, dass in mir auch andere Anteile gibt, die von von den Monstern im Kopf nicht(!) eingeschränkt sind bzw. sich nicht einschränken lassen.

      Dass es unter den Laufsportlern mehrere „Verrückte“ geben soll, habe ich auch schon mal irgendwo gehört 😂😂😂

      Ich danke dir für die guten Wünsche 🤗

Schreibt mir hier gerne, was euch zu diesem Beitrag einfällt (Kommentare, Fragen, Anmerkungen) oder auch persönlich per Mail monsterimkopf [at] email. de

error: Content is protected !!