Ein Halbmarathon zwischen Aufgeben und Durchbeissen
Letzten Sonntag fand zum 13. Mal der Metropolmarathon in Fürth / Mittelfranken statt, für den ich mich schon seit Monaten angemeldet und vorbereitet hatte.
Diese Laufveranstaltung werde ich so schnell nicht vergessen, denn für mich war es der bisher härteste Halbmarathon, an dem ich teilgenommen habe – ein Kampf, der mich vor allem mental, so an meine Grenzen gebracht hat, so dass ich noch heute, 2 Tage später, die Auswirkungen spüre und auch mein Körper immer noch nach Erholung ruft.
Der Metropolmarathon ist eine Laufveranstanstaltung, die im Jahr 2007 im Rahmen der 1000-Jahr-Feier der Stadt Fürth zum ersten Mal statt fand. Seitdem ist die Veranstaltung fester Bestandteil des Fürther Sportkalenders. . Die Laufstrecke führt beim Metropolmarathon Fürth in einem Rundkurs direkt durch die City, womit der Metropolmarathon zugleich einer kleinen Sightseeing Tour ähnelt. Er ist ein klassischer City-Lauf, der mitten durch die historische Altstadt führt, aber auch schöne Natureinlagen zu bieten hat.
Neben dem Marathon sind, 3/4- Marathon, ein Halbmarathon, ein Staffel-Marathon, ein 10-Kilometer-Volkslauf und ein 1/10 – Marathon im Angebot. Nicht zuletzt kommen hier auch die Kinder und Jugendlichen sowie Nordic-Walker zu ihrem Recht. Abrundet wird der Metropolmarathon mit einem umfangreichen Rahmenprogramm.
An der Strecke selbst sorgen mehrere Stimmungsnester, Musikgruppen und viele Zuschauer für die nötige Motivation und Anfeuerung der teilnehmenden Läufer, sowie die reichhaltige Verpflegung, die von vielen freiwilligen Helfern mit großen Engagement liebevoll bereitgestellt wird.
Quelle und Infos auf der Homepage vom Metropolmarathon Fürth
Ursprünglich sollte dies der erste Halbmarathon einer Freundin sein und ich wollte sie auf diesem Weg begleiten. Leider kamen bei ihr gesundheitliche Probleme dazwischen, die ein konsequentes Training und so auch einen Start unmöglich machten. Auch bei meinen Freunden P. und R., die mit mir und meiner Mutter in Berlin an den Start gingen, hatten von ärztlicher Seite ein Startverbot wegen Bazillenbesiedelung.
Ein Mädelstag in Fürth
Am Tag vor dem Start holten meine Mutter und ich unsere Startunterlagen im Veranstaltungsgelände auf der Fürther Freiheit ab. Es gab für jeden Starter einen tollen Sportbeutel vom Hauptsponsor mit Müsliriegel, ein Energydrink, Tee, Cracker, Duschgel, Magnesiumpulver und viel Infomaterial von den Sponsoren und anderen Laufveranstaltungen. Wer wie wir im Vorfeld ein Teilnehmer-Shirt bei der Anmeldung bestellt hatte, durfte es an diesem Tag ebenfalls in Empfang nehmen.
P. hatte von ihren beiden Männern heute frei bekommen und so gönnten wir uns einen tollen Mädelstag in Fürth. Wir schlenderten zuerst über die Läufermesse, um vielleicht das ein oder andere Schnäppchen zu machen. Diese Messe ist natürlich nicht vergleichbar mit der Expo in Berlin, doch zum Gucken und Bekannte treffen ein optimaler Ort. Wir entdeckten zusammen den neuen Start- und Zielbereich, da der vorherige dem neuen Markt mit seinen fest installierten Marktständen weichen musste. Etwas ungewohnt zwar, aber nur ein paar Meter vom alten Standort enttfernt. Natürlich erkundeten wir das reichhaltige Sortiment der Marktbetreiber und liessen es uns nicht nehmen, dass ein oder andere leckere Angebot zu testen
Anschließend zog es uns in die Fußgängerzone, um ein bisschen in den everschiedenen Läden zu stöbern, die die Innenstadt von Fürth so zu bieten hat. Ganz entspannt stärkten wir uns schließlich im Café bei (Eis-)Kaffee und Kuchen wieder und beobachteten dabei die unterschiedlichen Menschen, die ebenfalls mit Starterbeutel oder Medaille von den am Vortag stattfindenden Läufen, unterwegs waren.
Wenn so 3 Mädels unterwegs sind, die die gemeinsame Leidenschaft „Laufen“ und schon einiges zusammen erlebt haben, gehen die Gesprächsthemen nie aus. Ich selbst bin froh, dass ich meine Monster im Kopf weder vor meiner Mutter, noch vor P. verstecken muss und das nimmt bei den sozialen Kontakten einen ziemlichen Druck raus. Ich muss mich nicht verstecken und kann so Kraft sparen, die ich in meinem Alltag brauche.
Da in Fürth vor ein paar Wochen ein großes Sportartikelgeschäft seine Türen neu geöffnet hatte, beschlossen wir Mädels auch dort noch einen Abstecher hin zu machen. Mit ein paar neuen Erungenschaften ging´s schließlich zurück nach Hause, wo nach Carboloading (Reis mit Gemüse) und Laufklamotten bereitlegen, nur noch Beine hochlegen und Ausruhen angesagt war, um fit für den morgigen Halbmarathon zu sein.
Raceday
Schon seit Tagen meldete der Wetterbericht für diesen Tag hochsommerliche Temperaturen und er irrte sich nicht. Das Aussenthermometer zeigte morgens um 6:00 Uhr schon 15° C an, als meine Mutter und ich den Tag mit unserem Morgenritual „Kaffee im Bett“ begannen und im Laufe des Tages kletterte die Zahl auf über 30° C, während die Sonne vom wolkenlosen Himmel brannte.
Mit ausreichend Flüssigkeit schon im Vorfeld und den obligartorischen Haferflocken mit frischen Obst im Bauch fuhren meine Mutter und ich mit der U-Bahn zum Fürther Hauptbahnhof, der sich direkt am Startbereich befindet. Nur wenige Schritte weiter kommen die Läufer in den Parc Fermé, in dem die restlichen Startunterlagen ausgegeben wurden, sowie das Gepäck deponiert werden konnte. Mit Sonnenschutz eingecremt und ausgerüstet mit Notverpflegung in Form von Energiegel stand ich mit meiner Mutter und 5000 anderen Läufern an der Startlinie, um mich nach dem Startschuss auf die 21,1 km lange Laufstrecke zu begeben.
Unsere Freunde P. und R. mit dem kleinen E., sowie S. eine langjährige Freundin standen mit vielen anderen Zuschauern am Rand der Strecke und feuerten uns kräftig an. Entdeckt habe ich sie leider nicht, doch allein das Wissen, dass sie da waren und mit uns mitfieberten, freute mich wahnsinnig.
Nach ein paar Begrüßungen durch die Offiziellen und LaOla- Wellen fiel endlich der ersehnete Startschuss und die Läufermenge setzte sich Richtung Startbogen in Bewegung – erst gehend, und sobald die Zeitmessmatte piepsend überquert wurde laufend, gesteigert bis zum Renntempo. Schon nach der ersten Kurve trennten sich die Wege von meiner Mutter und mir, da diesmal jeder den Halbmarathon in seinem eigenen Tempo absolvieren wollte.
Im Schatten war es noch kühl
Die Häuserzeilen der historischen Innenstadt spendeten genug Schatten, so dass die ersten Kilometer angenehm kühl anfühlten und ich mein Tempo locker hielt. Ich freute mich darüber und meine Uhr zeigte eine mögliche Zielzeit von 2 Stunden an, wenn ich dieses Tempo durchhielt. Meine Beine liefen fast von allein und ich genoss die Atmosphäre an der Strecke. Die ersten Verpflegungspunkte und Musikgruppen passierte ich mit guter Laune und mit anerkennden Klatschen, sowie einem nach oben gestreckten Daumen. Nach 5 km verließ die Läuferkarawane die schattenspendenden Häuserschluchten und wir kamen in den Wiesengrund, der trotz Bäume der Sonne mehr Angriffsfläche bot.
Die kommenden Verpflegungspunkte nahm ich dankbar an und erfrischte mich innen, sowie außen mit Wasser. Da mein Puls sich nach den ersten Steigungen nicht wieder beruhigen wollte, beschloss ich mein Tempo doch etwas zu drosseln, bis meine Uhr mir wieder eine niedrigere Herzfrequenz anzeigte. Ich war immer noch im Plan, die Zielinie nach 120 Minuten plus ca. 5 Minuten zu überqueren und erreichte die 10km – Markierung unter einer Stunde.
Die Sonne kannte keine Gnade
Inzwischen brannte die Sonne erbarmungslos auf das Läuferfeld runter und die ersten Teilnehmer mussten von den bereitstehenden Sanitäter versorgt werden. Auch ich merkte, wie mir das Halten meiner Geschwindigkeit immer schwerer fiel und meine Herzfrequenz in den roten Bereich kam. Jede Wasserstelle, egal ob bei den Verpflegungsstellen oder den Rasensprengern der Anwohner nutze ich, um mich und vorallem meinen Kopf runterzukühlen. Doch es half nichts – nach 13 km fühlte ich mich, als ob mir jemand den Stecker gezogen hat.
Die letzten 8 km bis zum Ziel waren ein einziger Kampf. Ich wollte aufgeben, einfach stehenbleiben, mich irgendwo hinlegen – mehrmals. Doch irgendwas in meinem Kopf trieb mich weiter an, ließ mich immer wieder lostraben. Die Zeit war mir mittlerweile so egal, ich wollte nur noch ankommen, egal wie. Und so schleppte ich mich von Verpflegungspunkt zu Verpflegungspunkt, die gottseidank reichlich an der Strecke positioniert waren.
Bei dem Gedanken muss ich grad innerlich grinsen – schließlich fand ich es im Vorfeld noch lustig, dass es in Fürth mehr Verpflegungsstellen gibt als anderswo. Fast alle 2km eine. Man munkelt, dass man als Läufer aufpassen muss, nicht mehr Kalorien zu sich zu nehmen, als beim Lauf selbst verbraucht werden 😀 😀
Ich erreichte eine großes Stimmungsnest hinter Unterfürberg: die Anwohner feierten mit Band und großem Zelt ihr traditionelles Stadteilfest, dessen fester Bestandteil das Anfeuern und Motivieren der Läufer ist. Die Lautstärke der Musik erreichte mein Ohr und ich lief zur Erheiterung der Zuschauer wie ein Flieger mit ausgebreiteten Armen durch das Fest, begleitet durch den Gitarristen und dem Applaus und Jubel der Gäste. Außer Sicht verfiel ich zwar wieder ins langsame Traben, konnte aber den kurzen Moment wirklich geniesen und meine Anstrengung vergessen.
Mentales Training pur
„Nur noch bis zur nächsten Wasserstelle langsam traben – dann darfst du wieder gehen“ so motivierte ich mich selbst den nächsten Kilometer durchzuhalten. Mit 2 Wasserbechern in der Hand, einen zum Trinken, den anderen für den Kopf, maschierte ich bis meine Herzfrequenz in einen für mich tolerierbaren Bereich gesunken ist. Um mich herum verfielen immer mehr Läufer ins Schritttempo und wir kämpften gemeinsam, aber ohne Worte gegen die unbarmherzliche Sonneneinstrahlung. Jeder hing in seinen Gedanken fest, doch wir hatten alle das gleiche Ziel: Ankommen.
Jede noch so kleine Steigung katapultierte meinen Puls nach oben und irgendwann blieb der Puls auch bergab in der roten Zone.
Ich lief am Limit, aber das Ziel noch weit enfernt. „So lange der Läufer vor dir geht, darfst du auch gehen“ – mit diesen Gedanken setzte weiter ich einen Fuß vor den anderen. Hinter mir tauchten Pacemaker mit großen Flaggen auf dem Rücken auf: Zielzeit 2h 15min stand darauf und ich versuchte mich an die beiden dran zu hängen. „2:15 Stunden ist auch noch eine tolle Zielzeit“ dachte ich und mobilisierte nochmal ein paar Kraftreserven. Ein Blick auf die Pulsuhr signalisierte mir dann aber nach wenigen 100m, dass ich besser die beiden Pacemaker ziehen lassen sollte, wenn ich nicht der nächste Fall für die Sanitäter sein will. Kaum gedacht, sah ich wie sich ein Rettungswagen mit Blaulicht in der Läufermenge Platz verschaffte. „Nein, das ist es nicht wert“ meldete sich eine Stimme in meinem Kopf und ich verfiel wieder ins Gehtempo. Bis zum nächsten Verpflegungspunkt – ein Schritt nach dem anderem.
Endlich tauchten die ersten Häuser der Fürther Innenstadt vor mir auf und die Strecke verlief ein Stück entlang der Rednitz, bis sie wieder leicht anstieg. „Dort hast du letztes Jahr Gas gegeben“ erinnerte sich mein Gehirn. „ja, damals habe ich auch realisiert, dass ich die 2h – Marke knacken kann. Auch die Trommelgruppe hat meine Beine letztes Jahr so beflügelt, dass mir die letzte Steigung in der Gustavstraße total leicht fiel. Doch dieses Jahr weigerte sich mein Körper einen Endspurt hinzulegen – und das lag sicher nicht an der Musikgruppe, die gerade eine Pause machte.
Die Zuschauer feuerten mich lautstark an: „Nicht mehr weit. Du schaffst das! Lauf, Sonja lauf!“, doch ihre Stimmen erreichten mich nicht – sie waren gefühlt weit weg. Glücklicherweise näherte ich mich in diesem Moment wieder einem Verpflegungspunkt – ich schüttete mir wieder einen Becher Wasser über den Kopf und versuchte mehrere Schlucke von dem angebotenen isotonischen Getränk in mich reinzuzwängen. Mein Magen rebellierte, auch die Aufnahme eines weiteren Becher Wasser verweigerte er. „Sonja, du musst trinken“ befahl mir eine Stimme in meinem Kopf.
Nur noch 1 Kilometer…. rechtes Bein vor….linkes Bein vor….rechtes Bein….linkes Bein. Die Straße wollte kein Ende nehmen und vor mir lag erneut ein Läufer, der von einigen Zuschauern mit Flüssigkeit versorgt wurde. Ein paar Meter weiter parkte ein Rettungswagen und eigentlich wollte ich den dazugehörigen Sanitätern Bescheid geben, dass hinten ein Läufer ärztliche Hilfe braucht. Doch der Wagen war leer – die Sanitäter anscheinend schon bei einem anderen Einsatz. Da sich bereits andere um den erschöpften Läufer kümmerten, setzte ich meinen Weg Richtung Ziel fort…rechter Fuß….linker Fuß….rechter Fuß….linker Fuß.
Voll am Limit
Endlich hörte den Moderator an der Ziellinie und nahm meine Beine nochmal in die Hand. „Wenigstens ein schönes Zielfoto“ redete ich mir ein und sprintete die letzten Meter unter dem Zielbogen hindurch.
Ich hab´s geschafft, ich hab´s überlebt….eine freundliche Helferin hängte mir die Finisher-Medaille um den Hals und gratulierte mir zum erfolgreichen Lauf.
Im Zielbereich suchte ich nach meinen Unterstützern, konnte aber kein bekanntes Gesicht entdecken. Ich wankte Richtung Getränkeausgabe als ich ein lautes „Hallo“ vernahm und mir jemand anerkennend auf die Schulter klopfte. Nach kurzem Kramen in meinem Gedächtnis erkannte ich G., die ich durch Facebook kennengelernt hatte und nun live vor mir stand.
Fast gleichzeitig erreichte mich meine Mutter, doch die Freude über den fast gleichzeitigen Zieleinlauf währte leider nur kurz, als sie mir mitteilte, dass sie ihren Lauf verletzungsbedingt nach 7 km abbrechen musste.
Sie kümmerte sich liebevoll um mich und versorgte mich mit Getränken, sowie frischen Obst und Salzbrezen. Doch ich bekam kaum etwas runter – mein Magen weigerte sich irgendwie weiterhin Nahrung und Flüssigkeit aufzunehmen. Nur mit Mühe und voller Konzentration nicht alles wieder postwendend loszuwerden, schaffte ich es meinen Flüssigkeitshaushalt auszugleichen und mir ein ruhiges Plätzchen in einem schattenspendenden Bushäuschen zu suchen. Dort fanden mich auch S., R. mit dem kleinen E. und M. und gratulierten mir zum Finish. Ich war leider noch sehr damit beschäftigt mich und meinen Körper von den Strapazen einigermaßen ins Gleichgewicht , dass ich die Glückwünsche nur ganz entfernt wahrnahm.
Erst nach dem Wechseln der nassen Laufklamotten in trockene Kleidung, einem spendierten Bier von R. und etwas Ruhe im Schatten, kehrten meine Lebensgeister langsam zurück und ich konnte den Gesprächen wieder folgen, sowie auch von meinem Lauf erzählen.
Den restlichen Tag verbrachte schlafend auf dem Sofa bis auch mein Magen am frühen Abend endlich eine Post-Race-Pizza zulies.
So richtig freuen kann ich mich über meinen Lauf, die Medaille und die Urkunde noch nicht, aber vielleicht kommt das noch…denn die Zeit sollte bei diesem Hitzelauf für mich keine Rolle spielen.
Schließlich habe ich den
Halbmarathon trotz der
Widrigkeiten gerockt
Alles hat so gut angefangen, gut gefrühstückt ausreichend getrunken und gemeinsam mit dir um 8:45 zum HM gestartet
Als ich dich dann am Zielbogen erwartete und langsam nach 2 Std 10 ungeduldig wurde und jede Minute danach besorgter um dich wurde, wegen der grossen Hitze, habe ich dich endlich auf der Zielgeraden kommen sehen.
Du warst sehr erhitzt, aber dein Zieleinlauf, (siehe Video), war grosse Klasse,. Du bist mit deinen letzten Reserven mit geübten ausgestreckten Armen regelrecht aufrecht „“hineingeflogen“.
Humpelnd habe ich dich dann im Versorgungsbereich endlich in die Arme schliessen können, um dir zu deinem Erfolg zu gratulieren. Dein Gesicht hat Bände gesprochen: Warum bist DU denn schon da ???
Alles weitere hast du wieder mal so echt beschrieben.
Ich bin so stolz auf dich, meine liebe Tochter. 🏃♀️
Du hast aber auch eine wirklich tolle Tochter!!