Inzwischen sind es 2 Jahre – 2 Jahre Fragezeichen, Verwirrung und Unverständnis seit ich meine Psychotherapie bei der ehemaligen Therapeutin abgebrochen habe. Inzwischen kann ich zwar sagen, dass der Abbruch ein nötiger und richtiger Schritt war, doch die Erinnerungen an diese 12 Jahre sind trotzdem noch sehr präsent und beeinflussen meine Gegenwart in nicht unerheblicher Weise.
Vergiss es doch einfach!
Über die Theorie von Trauma und die dazugehörigen Trigger ist hier im Blog ja schon einiges verfasst worden und so langsam wird mir klarer, dass diese 12 Jahre mit der ehemaligen Therapeutin negative Spuren in meinem Gehirn hinterließen bzw. wahrscheinlich auch bereits vorhandene Traumaerfahrungen wiederholten und so noch mehr verfestigten.
Und genau diese Trigger sind es, die ein Vergessen unmöglich machen – 12 Jahre sind eine lange Zeit und so gibt es auch sehr viele Situationen, Orte, Aussagen, Begegnungen, die diese Erinnerungen wach rufen. Ob der Besuch bei meinem behandelnden Arzt, der seine Praxis in den gleichen Räumlichkeiten hat, ihr Auto (oder ein ähnliches) das mir auf der Straße entgegen kommt oder sogar eine persönliche Begegnung mit Therapeutin in der Kleinstadt, in der ich auch wohne, sowie im Wald, in dem ich meine Laufrunden drehe. Ein Waldstück triggert dabei besonders, weil ich ihr dort nicht nur live und in Farbe begegnet bin, sondern auch ihr Hund mich gebissen hat – macht es zusätzlich zu den schwierigen Therapieerlebnissen nicht gerade leichter, alles zu vergessen. Gerade die letzte Psychotherapiestunde vor meinem Abbruch läuft wie ein Blockbuster in Dauerschleife vor meinem inneren Auge ab, sobald ich getriggert werde und ich sehe wie sich eine hilfreiche Therapeutin in ein Monster verwandelt.
Oktober 2018 – Auszug aus meinem Tagebuch
Die letzte Therapiestunde mit der Psychotherapeutin war für mich mehr als anstrengend, denn plötzlich nahm ich sie irgendwie als ein angstmachenden Monster wahr. Es ging um meine Berentung und ihre Folgen – positive und negative. Mein Verstand hatte begriffen, dass ich jetzt erstmal Ruhe – zumindest für 1 Jahr – von den Sozialversicherungsträgern hatte und ich mich jetzt erholen kann. Ein paar Dinge mussten zwar noch erledigt werden, um die finanziellen Sorgen noch zu verringern, doch mit etwas Hilfe wollte ich das schaffen.
Aber meine Gefühle zu dem Thema passten einfach nicht – es wollte sich einfach kein Gefühl der Entspannung, des „endlich Ruhe“ einstellen. Dies wollte ich meiner Therapeutin mitteilen, doch sie ging überhaupt nicht darauf ein. Meine Versuche gingen ins Leere so sehr ich mich auch bemühte. Irgendwann gingen mir mal wieder die Worte aus und ich fühlte mich unverstanden, ignoriert und im Stich gelassen. Mein inneres Chaos würde immer stärker und verursachte innerliche Schmerzen. Obwohl meine Therapeutin im selben Zimmer war, konnte ich sie nicht erreichen und fühlte mich total abgeschnitten. Teilweise hat sie sogar einfach gar nix gesagt, den Raum verlassen oder in ihr Smartphone geschaut. Keine Reaktion, kein Zeichen, dass sie überhaupt etwas mitgekriegt hat oder irgendwas verstanden hat. Wieso merkte sie nicht, dass es mir immer schlechter ging? Was habe ich falsch gemacht, dass sie mich jetzt so behandelt? Warum lies sie mich mit meinem Chaos allein?
Der Verstand und meine inneren Monster lieferten sich einen Kampf in meinem Kopf, doch irgendwann setzte mein Verstand aus und ich wollte nur noch weg. Weg von diesen innerlichen Schmerzen und diesem Etwas, von dem mein Verstand behauptete, dass dies meine Therapeutin ist, doch ich sie ganz anders, wahrnahm. Sie machte mir schreckliche Angst: Angst etwas Falsches zu sagen, etwas Falsches zu tun. Ich hatte Angst vor Strafe und dass sie mich bestraft. Ich erinnere mich nur noch an ihren Blick, diese zusammen gekniffenen Augen, die mich erst anstarrten und wieder ignorierten. Ich sah ein Monster, dass gerade dabei war mich zu vernichten. Ich hatte Todesangst, hatte Angst „auseinander zufaIlen“ und ich wollte nur noch weg.
…… mehr weiß ich nicht mehr. Irgendwann war ich zuhause und habe mich seit langem wieder geschnitten. Ich schäme mich so dafür…
Genau diese Szene erlebe ich immer und immer wieder, so klar und deutlich, als ob es gerade eben erst passiert. Ich denke, jeder von euch hatte schon mal diesen Albtraum, der so realistisch war, dass sogar noch nach dem Aufwachen die Angst spürbar war. Höchstwahrscheinlich ward ihr am Morgen froh, dass sich das Ganz „nur“ um einen Traum gehandelt hat. Doch trotzdem können sich wahrscheinlich viele noch an diesen Albtraum erinnern. Bei mir war´s kein Traum, sondern Realität – ich kann´s nicht einfach(?!) vergessen.
Funktionieren um jeden Preis
Durch die paar wenigen Stunden bei der Traumatherapeutin und die jetzigen Kenntnisse über Trauma und seine Folgen, fällt es mir inzwischen wie Schuppen von den Augen , dass dieses Erlebnis der letzten Stunde bei der Psychotherapeutin nur der Tropfen war, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Mir wird immer klarer, dass die Therapeutin, ihre (nicht?) vorhandene Therapiestrategie und ich nicht zusammen gepasst haben und dadurch meine Probleme von ihr nicht gesehen wurden bzw. sich dadurch sogar verschlimmerten.
Solche Situationen erlebte ich immer wieder in diesen 12 Jahren. Ich versuchte mit ihr über mein Empfinden, mein inneres Chaos während der für mich so belasteten Situationen zu sprechen, doch sie konnte oder wollte mein Problem nicht sehen. Ich funktionierte, tat was man von mir verlangte, stellte mich immer wieder angstauslösenden Situationen, doch in meinem Inneren wurde der Schmerz immer größer. Wenn ich versuchte über den inneren Schmerz zu sprechen, sollte ich krampfhaft das Positive sehen „ich habe etwas trotz der Angst gemacht“. Ich versuchte wirklich diesen Optimismus der Therapeutin zu teilen, doch ich schaffte es nicht. Der Schmerz im Innern lies eine positive Sichtweise nicht wirklich zu. Warum tun diese angeblichen Fortschritte so weh? Ich kam zur Überzeugung, dass mit mir etwas grundsätzlich verkehrt ist, dass ich zu dumm für die Therapie bin. Ich funktioniere , aber mir geht’s nicht gut.
Das Therapeut und Patient nicht immer zusammen passen, kann immer mal passieren und ist menschlich. Normalerweise sind die ersten Therapiestunden dafür da, um sich kennenzulernen. Dazu gehört auch, dass der Therapeut zusammen mit dem Patienten klärt, ob er dem Patienten überhaupt helfen kann, ob die gelernte und potentielle Therapiestrategie zum Problem des Patienten passt. Da ich aber keinerlei Erfahrungen mit Psychotherapie zuvor hatte, wusste ich nichts über die unterschiedlichen Therapieverfahren und ihre Methoden.
Mir ging´s schlecht und ich wartete bereits 9 Monate auf den Therapieplatz. Ich nahm Psychopharmaka, die mir zwar halfen besser zu schlafen und mich nicht umzubringen, doch mein inneres Chaos veränderten sie nicht. Ich funktionierte nicht mehr wie gewohnt, hatte plötzlich(?) vor allem und jedem Angst, dazu kamen Familienprobleme und verlor auch noch meinen damaligen Arbeitsplatz. Meine Ärzte legten mir nahe eine Therapie zu machen und so „bewarb“ ich mich daraufhin bei der Therapeutin und startete eine Therapie, weil sie mir bei den Kennenlernterminen sympathisch war. Ich hatte keinerlei andere Anhaltspunkte, ob Therapiestrategien, therapeutische Haltung zu mir passten – ich war nur froh endlich jemanden zu haben, mit dem ich meine Ängste in den Griff bekomme.
Jetzt im Rückblick wird mir klar, dass der wichtige Punkt der Aufklärung über Psychotherapie und die Transparenz über das therapeutische Vorgehen während der Therapie (was, warum, wozu?), mir komplett gefehlt hat. Ich weiß bis heute nicht, welche Therapiestrategie sie verfolgt hat – meine Nachfragen wischte sie mit einem „ich weiß schon was ich tue“ zur Seite. Ich stellte mich meinen Ängsten, doch sie wurden dadurch immer schlimmer, denn darüber reden durfte ich nicht. Es ging nur darum, ob ich es geschafft habe und nicht wie ich mich dabei gefühlt habe.
Ein Beispiel
Ich habe wahnsinnige Angst vorm Zahnarzt und quäle mich, nach dem ich fast 20 Jahre keinen Termin mehr wahrnahm, nun regelmäßig 1x pro Jahr zum Kontrolltermin. Mein Zahnarzt ist sehr verständnisvoll, nimmt mich ernst und erklärt mir jeden Schritt. Er hat mir auch noch nie Schmerzen zugefügt und trotzdem bekomme ich jedes Mal einen „Aussetzer“. Ich bin komplett weg, kriege nichts mehr mit und meine Begleitung (ohne die ich zu keinem Termin gehe) meldet mir zurück, dass ich daliege wie tot. Jetzt weiß ich, dass diese „Aussetzer“ Dissoziationen sind und bei diesen Terminen wohl Trigger am Werk sind, doch damals dachte ich, ich werde verrückt. Doch für die Therapeutin zählte nur, dass ich hingegangen bin – über das andere durfte ich nicht sprechen bzw. sie ignorierte einfach meine Erfahrungen. Also hielt ich diesen Zustand weiter aus, weil ich dachte das muss so sein und hoffte, dass es irgendwann besser wird, wenn ich mich nur lange genug dieser Angst stelle. Nach jedem Termin sprach ich mein Problem an, doch es wurde ignoriert – stattdessen gab´s Lob, weil ich mich meiner Angst gestellt habe. „Es ist doch alles gut verlaufen“ sagte sie. – „stell dich nicht so an“ kam bei mir an.
Die Angst vom Zahnarzt ist immer noch vorhanden.
Verschlimmerung der Symptome
Irgendwann ging mir auch die Kraft aus, um weiter zu funktionieren. Meine Symptome verschlimmerten sich und es kamen neue dazu. Aber auch das war für diese Therapeutin kein Anlass, ihre Therapiestrategie zu hinterfragen oder mir zu sagen, dass sie an ihre Grenzen gekommen ist und ich bei einer anderen Psychotherapeuten vielleicht besser aufgehoben wäre. Nein, im Gegenteil, meine Schuldgefühle wuchsen. Ich dachte, dass ich nur herausfinden muss, was sie von mir will, lernen mich besser auszudrücken und meine Probleme verständlicher für sie verständlicher zu machen. Also fing ich an ihr zu schreiben, was mich belastete, denn schriftlich tue ich mich einfach leichter mich auszudrücken.
Auch mit Zeichnungen versuchte ich darzustellen, wie es in meinem Inneren ausschaut. Doch außer „Sie können aber gut schreiben/malen“ oder „schreiben/zeichnen Sie weiter, wenn es hilft“ bekam ich keine Rückmeldung. Also schrieb und zeichnete ich weiter mit der Hoffnung, dass sie mich endlich versteht und mir helfen kann, diese schrecklichen Zustände (inzwischen weiß ich, dass diese schrecklichen Zustände Traumasymptome waren) zu beenden.
Dann verbot sie mir auch noch ihr weitere Mails zu schreiben. Sie entzog mir dadurch meine hilfreiche Strategie, um ihr von den unerträglichen Zuständen zu berichten und gab mir keine Alternative. Die Therapietermin lagen oft mehrere Wochen auseinander. Ich fühlte mich unverstanden und allein gelassen. In den seltenen Therapiestunden war ebenfalls kein Platz für mein inneres Chaos. Es ging für sie nur darum, für mein zukünftiges Berufsleben Rahmenbedingungen zu finden, auszuhandeln oder zu erkämpfen, mit denen ich einigermaßen zurecht kam. Die Verhandlungen und Rahmenbedingungen scheiterten aber regelmäßig daran, dass ich meine Monster im Kopf nicht in den Griff bekam und dann auch im Außen Chaos veranstalteten (Symptome).
Klärende Gesprächsversuche scheiterten ebenfalls daran, dass die Therapeutin nicht über das sprechen wollte, was in mir vorging. Sie ignorierte meine Kritik an ihrer Therapie bzw. gab mir die Schuld an der Stagnation der Therapie. „Sie müssen sich auch helfen lassen wollen“. Meine Schuldgefühle wuchsen und ich traute mich nicht mehr, sie und ihre Therapie in Frage zu stellen. Erst vor 2 Jahren schaffte ich es mit Hilfe meiner Ergotherapeutin, einen Schlussstrich zu ziehen: zumindest physisch, doch psychisch liegt da noch einiges an Arbeit vor mir.
Zerstörtes Vertrauen
Zusammen mit der Ergotherapeutin versuche ich nun diese gescheiterte Therapie aufzuarbeiten. Neben den persönlichen Erlebnissen in der Therapie stellte sich heraus, dass die Therapeutin auch einige Punkte ihrer Berufsordnung missachtet hat und es auch Ungereimtheiten bei der Abrechnung von Therapieeinheiten gibt.
Schlimm genug, aber was mich jetzt nachhaltig erschüttert hat, ist das zerstörte Vertrauen zu einem Menschen, der von Berufswegen dem Helfersystem zu zuordnen ist. Ein professioneller Helfer, der schlimme Erlebnisse ignoriert hat, die ich ihm mit großer Scham und größter Kraftanstrengung per Mail mitgeteilt habe. Schlimme Erlebnisse, die nach meinem heutigen Kenntnisstand, den Themen „sexuelle und emotionale, sowie medizinische Gewalt “ (vgl. vorherigen Beitrag) zugeordnet werden müssen. Nicht nur, dass ich darüber nicht sprechen durfte – nein, sie wurden von der Therapeutin 12 Jahre ignoriert. Selbst als nach meinem Klinikaufenthalt, das Thema Trauma aufkam und ich ihr meine Symptome / Erinnerungen mitteilte, kam von keinerlei Reaktion. Nix -gar nix – niente – kein „Sie können drüber reden, müssen aber nicht.“ Kein Zeichen, dass sie meine Schilderung überhaupt gelesen, registriert hat. Schon damals wäre es hilfreich gewesen, wenn sie irgendwie auf meine Fragen zu einer mögliche Traumatisierung reagiert hätte, doch es kam nichts. Ich schämte mich wahnsinnig, ihr überhaupt davon erzählt zu haben und zweifelte an meinem Verstand. Vielleicht habe ich mir das nur eingebildet, vielleicht habe ich nur ein Problem mit meiner Phantasie oder vielleicht suchte ich nur nach Aufmerksamkeit und wollte mich wichtig machen („war doch nicht so schlimm“). Ich beschloss dieses Thema nie wieder anzusprechen – ich hielt mein mir selbst gegenüber getroffenes Versprechen und „vergas“ (oder dissoziierte?) diese Angelegenheit wieder.
Bis vor 4 Wochen durch einen blöden Zufall alles wieder hochkam. Nun steht zusätzlich zu der gescheiterten Therapie ein weiteres Trauma im Raum, das laut der Ergotherapeutin einiges erklärt.
12 Jahre Fehlbehandlung, Fehldiagnose und Betrug mit einem therapeutisches Verfahren, dass es so offiziell nicht gibt und gegen die Berufsordnung verstieß, mir aber als Therapie verkauft wurde. Aber auch: warum bin ich so lange geblieben, obwohl mir die Therapie nicht geholfen hat. Schwere Kost.
Deine Geschichte ist so krass das sie fassungslos macht! Unglaublich wie lange du es ausgehalten hast!!!…natürlich in dem Glauben das Dir geholfen wird.
Du bist jetzt auf dem besten Weg diese Dinge aufzuarbeiten und da kann ich Dir nur ganz ganz viel Kraft wünschen! Alles Liebe, wir sind für dich da 💕🤗
Vielen Dank für deine mitfühlenden Worte und deine Unterstützung. Ich weiß, dass es schwere Kost ist, dass zu lesen, um so dankbarer bin ich, dass du den Text bis zum Ende gelesen hast und trotzdem den Mut hast, mir öffentlich einfühlsame liebe Worte dazu lassen. 🤗🤗
Liebe Sonja, ich habe alles gelesen und bin erschüttert darüber wie viel du über diesen langen Zeitraum ertragen hast, zusätzlich zu deinem Trauma…. Obwohl du mir bereits einiges dazu erzählt hattest, habe ich das Gefühl, gerade einen tieferen Einblick in dein Inneres bekommen zu haben. (Danke dafür, dass du dein Innerstes hier teilst!) Es ist unfassbar, was ein Mensch zu ertragen in der Lage ist… Ich wünsche dir viel Kraft und Geduld für deinen neuen Weg mit den beiden Therapeutinnen, die dir offensichtlich Licht ins Dunkle bringen, und dass du mit ihrer Hilfe Stück für Stück aus diesem Dunkel heraustreten kannst und du Stück für Stück daran wachsen kannst und deinen Zielen näher kommst.
Ruf mich an, wenn du reden möchtest. Ich habe immer ein offenes Ohr für dich. Fühle dich ganz fest gedrückt von mir.
Alles Liebe, Bettina
Liebe Bettina, ja ich bin auch noch ziemlich fassungslos, wenn ich das ganze so schwarz auf weiß vor mir sehe. Das ist mir passiert?!? Ich will es nicht wahr haben und gleichzeitig weiß ich, dass dies ein Teil meiner Geschichte ist. Wie konnte ich das nur zulassen, warum bin ich nicht gegangen? Das sind momentan die Fragen, die ich für mich klären will. Ich will nie wieder in so eine Situation geraten.
Vielen Dank für das Redeangebot, auf das ich immer sehr gerne zurück komme. Drücke dich ganz fest zurück Sonja