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Traumasplitter – zwischen Zweifel und Akzeptanz

Meinen Monstern im Kopf auf der Spur

An diesem Beitrag arbeite ich schon lange und es ist gar nicht so leicht, etwas in Worte zu fassen, was mich zwar unheimlich beschäftigt, aber sich so schwer (be-)greifen lässt. Schwer auch deshalb, weil einige Monster dazu mit dem Kopf nicken: „ja, genau das erklärt es/alles/viel!“ und die anderen vehement mit dem Kopf schütteln: Nein, das darf nicht sein! Ich hab/will kein Trauma!“ Es sind nur Bruchstücke / Splitter, von denen einige bereits zusammen passen, aber insgesamt ist noch kein klares Bild erkennbar.

Ich lese im Moment sehr viel zum Thema Trauma (ich darf ja endlich lesen, denn das Leseverbot meiner ehemaligen Therapeutin gilt nicht mehr) und mit der Ergotherapeutin kann ich mich über die gefundenen Informationen austauschen und meine offene Fragen klären. Ich kann inzwischen besser nachvollziehen, wie die Ergo- und Traumatherapeutin darauf kommen, dass meine Symptome auf eine oder mehrere Traumafolgestörungen hinweisen. In meinen letzten Blogbeiträgen habe ich ja immer versucht, das irgendwie darzustellen und zu erklären.

Das es früher oder später ans Aufdecken der Ursachen kommen wird, war mir zwar klar, doch meine Monster im Kopf boykottierten jeden Versuch, wenn das Thema „mögliche Ursache“ zur Sprache. Die Fragen der Ergotherapeutin „Woran erinnert Sie das?“ oder „Kennen Sie das von früher“ begegnete ich meistens mit einem Schulterzucken und einem „Ich weiß nicht“. Ich wusste es in diesen Momenten wirklich nicht bzw. irgendwas war in meinem Kopf vorhanden, doch dafür fehlten mir die Worte – Nebel im Kopf. Reden ging also so gut wie gar nicht, doch mit Hilfe der Kunsttherapie fiel mir die Kommunikation darüber immer leichter.

Und so kam es, dass ich bei der Recherche über Texte und Blogs stolperte, die Worte für mich hatten. Es gibt in der großen Welt des Internets andere betroffene Menschen, die in ihrer Therapie, mit ihren Erkenntnissen, mit ihren Erfahrungen schon ein paar Schritte weiter sind und mir mit ihren Worten helfen, mögliche Erklärungen für meine Problematik zu finden. Ich erkannte mich teilweise wieder und so fand ich die ersten Puzzleteile meiner eigenen Geschichte, die für mich zusammenpassten. Auf dem Weg, die gefunden Splitter zusammen zu setzen, werde ich euch in den kommenden Blogposts mitnehmen.

Trauma und Traumafolgestörungen

Das Wort Trauma (Plural: Traumata) kommt auch aus dem Griechischen und bedeutet Wunde.
Ein psychisches Trauma bezeichnet daher eine seelische Verletzung

Quelle: u.a. Wikipedia

Traumafolgestörungen können nach unterschiedlichsten traumatischen Ereignissen auftreten, doch allen gemeinsam ist, dass nach der gängigen aktuellen Definition der/die Betroffene:

  • dem Ereignis plötzlich und unerwartet ausgesetzt ist
  • er/sie es in dem Moment nicht mehr abwenden kann
  • sich hilflos und ohnmächtig fühlt
  • sich subjektiv in Lebensgefahr befindet
  • und die persönliche psychische Belastungsgrenze in diesem Moment übersteigt

Diese Ereignisse werden dann oft nochmal unterschieden:

eigene Zusammenstellung nach eigener Recherche 2020

Nicht das Trauma selbst macht krank, sondern die PTBS

mögliche Traumafolgestörungen

Doch nicht jedes traumatische Ereignis führt automatisch zu einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). In einem anderen Beitrag habe ich schon mal aufgeschrieben, welche psychischen Symptome / Störungen / Diagnosen ebenfalls nach einem traumatischen Erlebnis auftreten können. In meinen letzten Beiträgen hab ich immer wieder versucht zu beschreiben, welches Chaos meine Monster im Kopf so veranstalten und in welche komplizierten Schwierigkeiten ich durch diese Monster gerate.

Immer mehr kristallisiert sich auch für mich heraus, dass meine Monster im Kopf Hinweise einer Traumafolgestörung sind, die sich auf zwischenmenschliche Traumata zurückführen lassen, d.h. meine Symptome sind Folgen von Verletzungen, die mir Menschen zugefügt haben. Diese Gewalterfahrungen in der Vergangenheit hinterließen ihre zerstörerischen Spuren in meinem Nervensystem (vgl. hier oder hier), mit denen ich nun in der Gegenwart zu kämpfen habe. Doch nicht nur körperliche oder sexuelle Gewalt schädigt einen Menschen nachhaltig, sondern auch psychische/emotionale Gewalt, gerade wenn sie über einen längeren Zeitraum stattfindet.

Auch bei mir lässt sich die Traumatisierung (aktuell?) nicht auf ein einziges bestimmtes traumatisches Ereignis (also keine ganz bestimmte Situation) zurückführen, sondern die Summe einzelner Ereignisse, die einzeln für sich genommen eher keine PTBS auslösen und somit diese Diagnose bei mir nicht für die weitere Behandlung, Diagnostik und die Nutzung von Traumatherapie verwendet werden durfte, obwohl zahlreiche andere Symptome einer PTBS zutrafen. Doch dies wird im Jahr 2021 endlich anders, denn in der neuen überarbeiteten „Bibel der Mediziner“(der ICDInternational Classification of Deseases) enthält dann zukünftig neben der klassischen Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) auch die Diagnosemöglichkeit komplexe Posttraumatische Belastungsstörung (KPTBS). Dies macht hoffentlich leichter meine zukünftigen Therapiebausteine mit der Krankenkasse abzurechnen und die Genehmigungskämpfe zu reduzieren. Die Hoffnung stirbt zuletzt! 😝😝😝😝

Meine aktuellen Behandler sind zum Glück schon ein großes Stück weiter: sie kennen und arbeiten bereits mit den neuen Erkenntnissen der Wissenschaft und müssen mit einer zielführenden Therapie nicht warten, bis diese Diagnose auch mit den Krankenkassen abgerechnet werden kann. Sie verschlüsseln halt weiter die einzelnen Symptome extra und haben aber auf dem Schirm, dass dies keine einzelnen Krankheiten sind, sondern ein Symptomkomplex – frei nach Aristoteles: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile

Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile

Dieses Zitat trifft auch auf die Definition von emotionaler/psychischer Gewalt zu, denn auf emotionaler Ebene ausgeübte Gewalt ist schwerer zu identifizieren als körperliche Misshandlungen. Sie ist daher seltener Gegenstand der Forschung und öffentlicher Diskussion. Das Spektrum psychischer Gewalthandlungen ist jedoch sehr umfangreich, die Narben sind meist schwerer zu heilen als bei physischen Übergriffen. Doch genau dieses Thema beschäftigt mich aktuell sehr und ab und zu lichtet sich der Nebel in meinem Kopf, gibt Bilder frei, die dazu passen und gleichzeitig unscharf bleiben. Ich will das auch nicht sehen, glauben, wahrhaben! Und schon verschwinden die Bilder im Nebel des Zweifels, des Nicht-wahrhaben-wollen, des Verdrängens, des Bagatellisierens, des Vergessens, des Verneinens….. bis zum nächsten Trigger.

Was ist psychische Gewalt ?

Quelle und weitere Infos: Gewaltinfo

Isolation und soziale Gewalt zielen darauf ab, die betroffene Person zu isolieren (z.B. durch ein Kontaktverbot zur Familie oder zu Freund/innen, das Einsperren zu Hause, das Absperren des Telefons usw.). Bei Kindern zählt zu diesem Bereich auch der Liebesentzug.

Drohungen, Nötigungen und Angstmachen sind häufige Formen von psychischer Gewalt. Auch die Androhung, Dritte zu verletzen (Verwandte, Haustiere, …) wird eingesetzt, um bestimmte Ziele zu erreichen. Durch Drohungen und Angstmachen „erübrigt“ sich oft die Anwendung von physischer Gewalt, da die Angst davor bereits einschüchternd wirkt. Diese Strategien bedeuten vor allem für Frauen und Kinder ein Leben in Angst.

Beschimpfungen, Abwertungen und Diffamierungen dienen der Zerstörung des Selbstwertgefühls des Opfers und seiner/ihrer geistigen Gesundheit. Mit der Zeit wird der Glaube an den eigenen Wert, die Identität und die eigenen Empfindungen, an Rechte oder Wahlfreiheit, zerstört. Von dieser Gewaltform sind Frauen und Männer gleichermaßen betroffen.
Zu dieser Form der Gewalt gehört z.B. das Lächerlich machen in der  Öffentlichkeit durch beleidigende und abfällige Äußerungen. Sehr häufig werden Behauptungen aufgestellt wie: die Frau sei verrückt oder psychisch krank, bilde sich etwas ein, sei selbstmordgefährdet, etc. Diese Äußerungen werden oft benutzt, um von den eigenen Taten abzulenken und die Frau „zum Problem zu machen“.

Belästigung und Terror. Gemeint sind z.B. ständige Anrufe, Anrufe mitten in der Nacht, Drohbriefe, Bespitzelung und Verfolgung am Arbeitsplatz und zu Hause („stalking“ genannt). Von diesen gewalttätigen Handlungen sind Frauen besonders betroffen.

Kinder sind darüber hinaus besonders betroffen von:

  • Ablehnung und Liebesentzug;
  • Missbrauch zur Befriedigung narzisstischer Bedürfnisse der Eltern, z.B. soll das Kind Wünsche und Ideale der Eltern erfüllen oder es wird als Partnerersatz herangezogen;
  • Erzeugen von Schuldgefühlen;
  • Vernachlässigung (wird auch als Form von physischer Gewalt definiert).
  • Mobbing durch Gleichaltrige im Schulumfeld und im Internet

Durch diese Beispiele ist mir (zumindest einem Teil von mir) klar geworden, dass es nicht DAS GROSSE Ereignis braucht, um sich mit solchen Traumasymptomen, wie ich sie erlebe, auseinandersetzen zu müssen. Doch meine Monster im Kopf gehören eher zur Fraktion: „Kann doch gar nicht sein!“ und „War doch gar nicht so schlimm!“ und so zweifle ich selbst weiter an meinen erarbeiteten Kenntnissen: Ich? Ein Trauma? – Mir ist doch gar nix Schlimmes passiert

Wie geht`s nun weiter?

Und genau diese Zweifel und Verleugnung, sowie das vorherige Verdrängen eines Traumas sind (m)ein zentrales Thema in der 1.Phase der Traumatherapie, der sogenannten „Stabilisierungsphase“ , in der es darum geht, die Patienten über ihre Erkrankung aufzuklären: sie erhalten ausführliche Informationen über die Symptomatik der PTBS, ihre Ursachen und ihre Behandlung (Psychoedukation). Dabei wird auch deutlich gemacht, dass ihre psychischen Reaktionen nach einem solch extremen Ereignis ganz normal sind. Und genau diese Erkenntnisse versuche ich für mich (und euch?) auch in meinem Blog zu verarbeiten, um mehr Verständnis und Akzeptanz für meine Monster im Kopf zu erreichen.

Traumatherapie findet in der Regel in 3 Phasen statt:

  1. Stabilisierung
  2. Traumakonfrontation ((Traumaexposition)
  3. Integrationsphase

Und diese 1. Phase der Stabilisierung übernimmt – in Absprache mit der Traumatherapeutin – meine Ergotherapeutin (die ebenfalls eine Traumatherapieausbildung hat), damit für mich weiter die Möglichkeit besteht, mit ausreichender psychischer Stabilität, die angefangene Therapie bei Traumatherapeutin wieder aufzunehmen. Im Moment kann ich mir gut vorstellen, dass ich diese eingeschlagenen Weg weiter gehe, dass mir diese Therapieplanung helfen kann – auch das Ende der Traumatherapie sehe ich dadurch endlich mit ganz anderen Augen. Ich habe wieder Hoffnung auf Besserung und Reduzierung meiner Symptome. 😊

8 Gedanken zu „Traumasplitter – zwischen Zweifel und Akzeptanz“

  1. Danke für deine Mühen dieses komplexe Thema so gut in Worte zu fassen. Wirklich gut erklärt. Und danke für deine offenen Worte deiner eigenen Erfahrungen dazu. Ich drücke die von Herzen die Daumen, dass die Zusammenarbeit zwischen dir und den Therapeutinnen klappt und du mehr und mehr Puzzleteile zusammenbringst, der Nebel sich mehr und mehr löst. Ich wünsch dir ganz viel Kraft dafür und die bestmöglichste Unterstützung. Liebe Grüße Christine

    1. Vielen lieben Dank für diese Zeilen 🥰 Ich habe sie gestern schon gelesen und sie haben mir sehr gut getan, da ich ja doch immer sehr aufgeregt bin, wenn ich einen neuen Blogpost veröffentliche. Gerade wenn es für mich um schwierige Themen geht und so bin ich doch sehr erleichtert, dass meine Monster nicht zu sehr in den Text reingepfuscht heben und er verständlich ist. Dankeschööön auch für die tollen Wünsche, die ich wirklich gebrauchen kann. Liebe Grüße zurück Sonja

  2. Erstmal großes Danke dass Du Dich weiter öffnest und die Definitionen sehr gut erklären konntest. Ich war ja in der Klinik 11 Wochen Traumaaufarbeitung und auch mein Selbstbild zu bearbeiten. Meine Psychologin und ich sind den Weg gegangen über meine Traumaschmerzen und Gefühle. Es war hart, aber gut. So konnte ich definieren was der Schmerz für eine Rolle einnimmt und was ich in dem Moment fühle… Und dann welcher Impuls ist da… Wollte dann nur noch treten, Strampeln er soll weg von mir. Es kommt immer mal wieder so stark, vor allem nachts, und der Schmerz wird erträglicher.
    Habe durch meine Psychologin in der Klinik eine ambulante Therapeutin gefunden, mit ihr mache ich dann weiter.
    Es braucht alles Zeit, und Geduld, mit dir selber. Ich konnte richtig gut an meinem Selbstbild arbeiten, Achtsamkeitsübungen,
    Spiegel schauen, positiv denken, Affirmationen, im Hier und Jetzt. Und ich sein. ENDLICH. Auch das Zentangle zeichnen ist für mich eine Art Therapie.
    Ich gebe jetzt Workshops meditatives Zeichnen und es macht mir soviel Spass.
    Ich wünsche Dir Alles Gute, gehe deinen Weg weiter, im Hier und Jetzt, bis bald. Ich drück dich. Doro

    1. Dankeschöön für deine ausführliche Rückmeldung 🤗🤗🤗 und auch deine Offenheit zu deinen Erfahrungen. Das ist wirklich nicht selbstverständlich, aber mir helfen sie sehr, mich verstanden zu fühlen. Sie geben mir auch Mut, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen, auch wenn´s gerade nicht so einfach ist, meine Gedanken und Erfahrungen offen zu legen, doch ich hoffe, dass durch meine Veröffentlichungen auch anderen geholfen werden kann, sowie ich von anderen Blogs profitiere.
      Ich wünsche dir gaaanz viel Spass bei deinen Kursen und ich freu mich total für dich, dass du deine positiven Erfahrungen in dieser Form weitergeben kannst und willst. Drück dich zurück Sonja 🤗

  3. Mir fehlen glatt die Worte wie gut du alles erklärt hast 👏und genau das ist wichtig, das auch Außenstehende wie ich es begreifen!
    Liebe Sonja du bist ehrgeizig im Sport und ich weiß das Du auch nicht so leicht aufgibst! Somit kann dir diese Willensstärke bestimmt auch bei der Therapie helfen und bei dem was noch kommt.., du bist stark 💪💪 und schaffst das! Ein fester Drücker von mir 🤗🤗

    1. Vielen lieben Dank für deine Rückmeldung und deine motivierenden Worte 🤗. Ich freu mich wirklich sehr, dass auch Menschen, die mit dieser Thematik bisher nichts zu tun hatten, meine Texte verstehen und damit etwas anfangen können. Drück dich ganz fest zurück 🤗

  4. Liebe Sonja, ich freue mich für Dich, dass Du auf einem gutem Weg bist, Dich Stück für Stück mit Hilfe Deiner beiden Therapeutinnen Deinem größten Problem zu nähern. Ich glaube auch, dass Deine Erklärungen sowohl für Betroffene wie auch für Außenstehende ziemlich hilfreich bei der Auseinandersetzung und beim Verstehen dieser komplexen Thematik ist. Gönne Dir aber bitte auch genug Zeit und Ruhe zum Regenerieren nach so einer anstrengenden Zeit des Aufschreibens. Fühle Dich gedrückt. Ganz liebe Grüße, Bettina

    1. Liebe Bettina, erstmal dankeschööön für deine motivierende Rückmeldung, aber auch für den Hinweis mit der Regeneration. Du kennst mich schon sehr gut – mein „Klugscheisser“ will wirklich ziemlich viel in kurzer Zeit in Erfahrung bringen und verstehen. Ihn zu stoppen ist nicht einfach, doch ich bleib dran, versprochen 🤞

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