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Das „vernäht und zugeflixt“ – Archiv

Newsletter vom 03.06.2021

Jetzt bin ich genau eine Woche in der Klinik – ein kleines Jubiläum sozusagen.

Glücklicherweise ließen mich meine Monster im Kopf diese Nacht wieder in Ruhe und meine Ängste, Panik und Heulerei sind verschwunden. Durchgeschlafen habe ich trotzdem nicht – einfach zu viel Unruhe auf der gesamten Station.

So ein Feiertag in der Klinik ist deutlich zu spüren – die Uhren gehen irgendwie langsamer und insgesamt fehlt die morgendlich Hektik des Pflegepersonals. Geweckt wurde ich heute von einem jungen Pfleger mit den Worten: „Frau Weinert, ich mache jetzt einen Covid-Test bei Ihnen!“ Hä? Ich hatte meine Augen noch nicht richtog auf und bevor ich wach genug war, um nachzufragen, war der junge Mann auch schon wieder verschwunden. Bettenmachen, Fieber- und Blutdruckmessen entfiel einfach. Zusammen mit meiner Zimmernachbarin rätselten wir gerade über den Grund eines erneuten Covid-Tests, als der junge Pfleger in voller Schutzmontur (Schutzkittel, Handschuhe, Schutzbrille mit Visier und doppelten Mundschutz zurückkam. Auf die Frage nach dem Grund antwortete er mir: “ Naja weil Sie doch morgen entlassen werden!“ Hä? Meine Bettnachbarin wird entlassen ich nicht. Verwirrt guckte er auf seinen Notizzettel – dann erinnerte er sich daran, dass ich ja für Montag auf dem Op-Plan stehe und dafür ein aktueller Test vorliegen muss. Ok, aktuell bis Montag? Naja ich hoffe einfach, dass das jetzt stimmt. Später habe ich erfahren, dass dieser Test heute bei allen gemacht wurden, die in den nächsten Tagen operiert werden.

Der Pfleger packte also 2 Teststäbchen aus und schob sie mir soweit in Rachen und Nase, dass ich dachte er schiebt mir das Kleinhirn auf der anderen Seite raus. Meine Zimmerkollegin bestätigte, dass die Stäbchen fast in mir verschwunden sind. Auch jetzt noch spüre ich den Anschlag in meiner Nase. Irgendwie fällt mir dazu das Video von Helga und Marianne ein…. zu lustig

Hier im Krankenhaus treffen die unterschiedlichsten Menschen aufeinander und so auch unterschiedliche Gewohnheiten, Ansichten und Verhaltenseisen. Schnell wechseln die Gespräche von Smalltalk auf „“warum bist du hier“ und „was wurde bei dir gemacht“. Während ich meine Krankengeschichte so kurz wie möglich fassen will, gibt es Patienten die gefühlt bei Adam und Eva anfangen und dir ihren Leidensweg gerne mehrmals erzählen. Bei mir im Zimmer liegt so eine Dame, die mir gerne öfter noch ihre Story aufdrücken will, vor allem ihre Schmerzen werden lauthals kundgetan, gerne auch nachts. Okay, sie hat ne große Herzoperation hinter sich und bestimmt tut so eine Brustkorböffnung sauweh, doch ich fühle mich gleichzeitig (!) von dem Stöhnen immer mehr genervt. Ich bin hin und her gerissen zwischen Mitgefühl und leichter Verärgerung, wenn sie mitten in der Nacht mit lauter Stimme mit dem Nachtdienst zum wiederholten Mal den Grund ihrer Schmerzen erklärt, anstatt im Flüsterton nach mehr Schmerzmittel zu verlangen. Aber vielleicht bin ich da auch ungerecht und zu empfindlich, denn ich bin so gut wie schmerzfrei, und kann mich mit Vera frei bewegen.

Auch ist hier die Stimmung unter den Patienten ziemlich motzig,. Vielleicht ist das auch ein typisches fränkisches Problem („ned gschimbfd, is globd gnouch“), aber mir geht diese Meckerei von allem und jedem echt auf die Nerven, egal ob Essen, Putzdienst, Ärzte, Organisation, Corona-Maßnahmen und angeordnete Therapien, die oft mit einem „Su a Gschmarri“ nicht befolgt werden und dann den Ärzten/Therapeuten ganz frech ins Gesicht gelogen wird, dass man die angedachten Übungen selbstverständlich absolviert hat. Keine Ahnung, warum mich das so aufregt. Vielleicht bin ich es auch einfach nicht mehr gewöhnt mit so vielen Menschen auf einem Fleck zu sein.

Ich bin sehr froh, dass ich mich hinter den Fernseher und den großen sichtbaren Kopfhörern zurück ziehen kann oder hier mit dem Newsletter beschäftigt bin. Meine Zimmerkollegin will sich zwar trotzdem mit mir „unterhalten“, aber ich habe festgestellt, dass es bei ihr auch reicht ab und zu zu Nicken und „hmm hmm“ zu sagen.

Den Nachmittag verbrachte ich im Schatten auf dem Balkon, doch auch dort sind diese unterschiedlichsten Menschentypen zu finden. Es wird gelästert und über die Besuchsregelung geschimpft (vielleicht der Neid auf die, die die Regeln einfach so sichtbar vorm Krankenhaus brechen). Nicht meine Welt und ich find’s furchtbar anstrengend,. Aber um frische Luft zu bekommen, muss ich’s wohl aushalten.

Morgen wird meine Zimmergenossin entlassen und ich bin gespannt, wer ab morgen mit mir das Zimmer teilt. Außerdem steht morgen ja der Schwammwechsel von Vera an, doch diesmal weiß ich ja was auf mich zu kommt. Bin schon gespannt, ob die Transplantation wie geplant am Montag stattfinden kann.


kommt Zeit, kommt Naht
Sonja und die Monster im Kopf

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