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Das „vernäht und zugeflixt“ – Archiv

Newsletter vom 01.06.2021

Nach dem die letzten Tage doch noch ein paar Leser meines „vernäht & zugeflixt“ – Newsletter nachträglich dazugekommen sind, habe ich ein Archiv eingerichtet, wo du alle Newsletter der letzten Tage nochmal nachlesen kannst. Falls du Fragen hast oder etwas genauer wissen willst darfst du mir gerne auch schreibe – gerne auch über Email, Whatsapp oder eine DM bei Instagram

Mein Alltag im Krankenhaus

So nun aber mal wie der Tag im Krankenhaus für mich momentan so abläuft. Denn während Vera ihr regelmäßiges Programm von Befeuchten, Spülen, Einwirken und Abpumpen 24 Stunden ohne Pausen durchhält, schau für mich so ein normaler Tag ganz anders aus:

So gegen 6:30 Uhr kommt meistens eine gut gelaunte Pflegekraft mit einem fröhlichen „Guten Morgen“ ins Zimmer. Dann heisst es raus aus dem Bett, denn als erstes bekommt jeder Patient ein frisch bezogenes Bettzeug. Eiegntlich wäre da die Gelegenheit im Bad zu verschwinden und die Morgentoilette vorzunehmen. Wie gesagt eigentlich, denn ich bin meistens noch nicht richtig wach und so reicht es bei mir meistens nur für ein paar Schritte zum Stuhl, um Platz zu machen. Für mich persönlch wäre es der perfekte Zeitpunkt für einen Morning Coffee im Bett, doch auf den muss ich jeden Tag leider noch warten. Ist ja auch kein Hotel hier. Als nächstes rauscht die Ärzte-Karavane (offiziell Visite) der Herzpatienten durchs mein 2-Bett-Zimmer Ich liege nämlich auf der Herzchirurgie, da wegen Corona die Plastische Chirurgie zusammengelegt wurden, um das Personal auf andere Stationen verteilen zu können. Die Visite mit den „Plastikern“ (O-Ton Krankenschwester) kommt erst nach 8:00 oder manchmal sogar noch später. Ich verschwinde danach meistens ins Bad, um mich ein bisschen zu kultivieren, natürlich immer mit Vera im Schlepptau, die vor allem morgens nicht geradeaus fahren will. Böse Zungen behaupten, dass es an mir liegt, doch das kann gar nicht sein, oder?

Die Zeit bis zum Frühstück finde ich persönlich immer sehr lang, v.a. so ohne Kaffee. Ich habe zwar eine kleine Teeküche entdeckt, doch die ist für Patienten verboten. Schade. So bleibt Zeit die Menschen zu beobachten, die das Zimmer betreten und dann wieder verschwinden. Es kommt jemand zum Fieber, Blutdruck und Puls messen, jemand tauscht die Wasserflaschen aus, ein anderer leert die Mülleimer aus und wischt über sämtliche Oberflächen. Für mich irgendwie noch ein komisches Gefühl, anderen vom Bett aus beim Arbeiten zu zu schauen. Ich versuche, dann mitzuhelfen und so kann es schon mal passieren, dass ich den Alarm auslöse, weil ich den Pulsoximeter (Gerät zur Sauerstoff- und Pulsbestimmung) zu schnell entfernt hatte. Denn dadurch dass ich auf der Herzstation liege, sind diese Geräte immer in Alarmbereitschaft – es könnte ja sein, dass ich nicht mehr atme. Ups.

Frühstück

Die Zeit nach dem Frühstück ist für diverse Untersuchungen und Therapien reserviert, doch da sich Vera 24h-Stunden um mich kümmert, passiert bei mir nicht mehr wirklich viel. Und so schnappe mich mir Vera, um auf Erkundungstour zu gehen oder auf dem Balkon die Sonne zu geniessen. Nach dem ich mit dem Chefarzt bei der Visite ausgehandelt habe keine schicken weißen Anti-Thrombosestrümpfe mehr zu tragen (auf eigene Verantwortung!), versuche ich möglich oft meine Runden zu drehen, um in Bewegung zu bleiben. Der Chefarzt meinte dann auch ich könne ja etwas Fahrradfahren und wie ich halt so bin, hoffte ich auf das okay den Fahrrad-Ergometer im Gang benützen zu dürfen. Falsch gedacht! Der Stationsarzt bremste mich aus und erklärte mir, dass ich wegen Vera nur im Bett „Fahrradfahren“ (also mit den Beinen wackeln) dürfte. Ich sei schließlich frisch operiert. Memo an mich: Bewegung ist Definitionssache.

Auf dem Balkon

Vormittags kommt normalerweise jemand vom Pflegepersonal oder vom Küchenteam vorbei, um die Essensbestellung für den nächsten Tag aufzunehmen. Nur heute wurden wir, also meine Bettnachbarin und ich, irgendwie vergessen. Tja, dann gibts wohl morgen ein Überraschungsmenü.

Gegen 12:30 Uhr rollt dann meistens das am Vortag bestellte Mittagessen an und ich mache es mir im Bett gemütlich. Essen im Bett hat auch was, vor allem wenn das Bett auf Knopfdruck so toll verstellbar ist. Nach dem Essen ist Ruhezeit für mich, denn durch die unruhigen Nächte brauche ich regelmäßig einen Mittagschlaf. Meistens höre ich dabei Podcasts oder andere Hörbücher.

Gegen 14 Uhr verteilen die Stationshelferlein noch mal Kaffee oder Tee an die Patienten. Da der Krankenhauskaffee nicht wirklich so prickelnd ist habe ich mir vorsorglich von zu Hause eigenen abgepackten löslichen Kaffee eingepackt, so dass ich mir nur noch heißes Wasser bestelle. Inzwischen kennt man mich und ich bekomme unaufgefordert, und auch wenn ich gerade nicht im Zimmer bin, dass heisse Wasser hingestellt. Das sind die kleinen Freuden im Klinikalltag.

Sonst vertreibe ich mir die Zeit mit Newsletter schreiben, Nachrichten beantworten, neue Rätsel für den Whatsapp-Status fotografieren, Zeitschriften lesen und ab und zu etwas Fernsehgucken (v.a. abends). Ehrlich gesagt, so richtig langweilig war´s mir noch nie.

Newsletter schreiben

Gegen 18:30 ist es Zeit fürˋs Abendessen und danach passiert so gar nix mehr. Ich ziehe mich dann meistens hinter den Fernseher zurück (mit den großen Kopfhörern, damit meine Mitmenschen klar erkennen, dass ich mich nicht mehr unterhalten will). Dann kommt für mich der schwierigste Teil im Krankenhaus – die Nacht. Trotz Medikamente kann ich nicht durchschlafen, da im Krankenhaus auch niemals Ruhe herrscht und jedes Geräusch, jeder Alarm, jedes Gespräch nachts auf der Station gefühlt lauter ist als tagsüber. Selbst Ohropax oder meine Kopfhörer nützen nichts, sobald irgendwas sich in meinem Zimmer rührt bin ich wach. Oft erschrecke ich furchtbar und so dauert es immer ein wenig bis sich mein Puls beruhigt hat und ich ruhiger werde. Meine Monster im Kopf haben also viel Zeit laute Gespräche zwischen meinen Hirnwindungen zu führen. Dazu kommt die Angst irgendwelche Schläuche aus der Wunde zu ziehen oder mich in dem Kabelsalat bei jedem Umdrehen zu verhädern. Wer mich kennt weiß, dass ich nachts zum „Kämpfen“ neige und schon mal so das Bett verwüsten kann. Ich glaube, ich bin eine der wenigen Patienten, die freiwillig die Bettgitter hochgezogen hat (geschlossene Bettgitter gehören zu den Freiheitsentziehenden Maßnahmen und brauchen eine richterliche Verfügung bei nicht absprachefähigen Patienten z.B. Menschen mit Demenz). Ich selbst hab einfach Angst sonst rauszufallen, außerdem kann ich daran bequemer anlehnen.

Wie gehtˋs weiter: Freitag ist wieder ein Wechsel von Vera angesagt und für nächste Woche stehe ich auf dem Op-Plan für die Hauttransplantation. Ich hoffe, der kann eingehalten werden, denn die Wunde muss bis dahin einen guten Untergrund für die neue Haut bilden. Es bleibt also bis Freitag weiterhin spannend


kommt Zeit, kommt Naht
Sonja und die Monster im Kopf

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