Zum Inhalt springen

Das „vernäht und zugeflixt“ – Archiv

Newsletter vom 04.07.2021

Narbentherapie:

Die Heilung der Wunde am Unterschenkel schreitet voran und das Hauttransplantat wächst langsam fest ein. Seit 2 Tagen nässt die Wunde deutlich weniger und der Verband bleibt trocken. Es sind nur noch minimale Stellen, die noch ein bisschen Zeit brauchen und dann ist die Wunde endgültig geschlossen. Doch damit ist die Behandlung nicht abgeschlossen – die Narbe will weiter versorgt und gepflegt werden, wahrscheinlich lebenslang.

Dazu gehört die Narbentherapie mit einer passenden Kompressionsversorgung, die dafür sorgt, dass die Narbe weich und geschmeidig bleibt, sowie eine Wucherung von Narbengewebe verhindert. Tja, soweit die Theorie, doch die Praxis gestaltet sich mal wieder so, dass es auf dem Weg zum Kompressionsstrumpf einige Hürden gibt, die mal wieder überwunden werden müssen.

1. Hürde: Rezept

So eine passende Narben-Kompressionsversorgung ist ziemlich teuer, da sie individuell auf den Patient angepasst werden muss und nicht wie bei der Therapie von Venenkrankheiten (geschwollene Beine aufgrund von schwachen Venenklappen) alleine die Größe und Länge der Beine die Passform bestimmen. So können für einen einzelnen passenden Strumpf schon mal mehrere 100 €uro zusammen kommen. Doch in Deutschland übernimmt die Krankenkasse diese Kosten, wenn ein Arzt diese Strümpfe verordnet und ein Rezept ausstellt.

Wie du ja bereits weißt, hatte mein Hausarzt keine Ahnung wie ein Kompressionsstrumpf zur Narbentherapie funktioniert und wollte mir einen 08/15 Kompressionsstrumpf andrehen. Glücklicherweise erhielt ich ein Rezept über die Ambulanz der Plastischen Chirurgie mit dem ich zum Sanitätshaus ging.

2. Hürde: Sanitätshaus

Bei meiner Recherche im Internet stellte ich fest, dass so ein Narbenkompressionsstrumpf doch einiges leisten muss und die Mitarbeiter im Sanitätshaus extra Schulungen brauchen, um die passende Kompressionsbekleidung für den Patienten anzufertigen. Ich informierte mich im WWW also über Messmethoden, Material und Zubehör von Kompressionskleidung, die eine gute Narbentherapie ausmachen. Schließlich soll ich das Teil mindestens 6 Monate 24h pro Tag tragen – wahrscheinlich aber länger.

Ich weiß, es gibt Menschen die vertrauen, dass Mitarbeiter in einem Sanitätshaus einen guten Job machen, doch ich bin durch meine Erfahrungen mit sogenannten Fachleuten misstrauisch geworden und informiere mich lieber vorab selber. Dadurch kann ich erstens mit Fachpersonal auf Augenhöhe kommunizieren und zweitens merke ich schneller, wenn es nicht mehr um mich geht, sondern nur noch um wirtschaftliche Interessen.

Doch ich hatte Glück: bei dem mir ausgewählten Sanitätshaus beriet mich eine Mitarbeiterin, die sich sehr viel Zeit nahm mir die einzelnen Schritte zu erklären und genauso arbeitete, wie es die Standards zu einer optimalen Narbentherapie vorgaben. Ich war sehr erleichtert und die schlaflosen Nächte vorher, in denen ich die ganzen Infos recherchierte, um meine Angst vor einer Fehlversorgung in den Griff zu kriegen, waren fast(!) vergessen.

Doch dann kam die nächste Hürde.

3. Hürde: Krankenkasse

Auch wenn Krankenkassen laut Gesetz verpflichtet sind, eine Versorgung mit Kompressionsstrümpfen zu übernehmen, kommt es laut Sanitätshausmitarbeiterin regelmäßig zur Verweigerung der (vollständigen) Kostenübernahme. Wie überall geht es mal wieder ums Geld und Krankenkassen versuchen zu sparen, wo es nur geht. Verordnete Hilfsmittel fallen unter das Wirtschaftlichkeitsgebot, d.h. es muss wirtschaftlich, ausreichend, notwendig und zweckmäßig sein (siehe WANZ-Prinzip). Das es da Spielraum gibt, dürfte ja jedem bei diesem Begriffen klar sein. Gerade der Begriff ausreichend sorgt oft für Ablehnungen des Hilfsmittels durch die Krankenkasse. Der Patient hat keinen Anspruch auf die optimale Versorgung, sondern das gewählte Hilfsmittel muss „nur“ für den Zweck ausreichen. Das bedeutet ich als Patient, muss schon mal auf einen angenehmeren Stoff für die Strümpfe verzichten (oder Aufpreis zahlen), da auch das raue, kratzige Material ausreicht. Bei einer Tragezeit von mindestens 6 Monaten Tag und Nacht denkt man schon mal drüber nach, ob atmungsaktiver und weicherer Stoff nicht besser ist.

Es reicht auch nicht, dass der behandelnde (Fach!)Arzt auf das Rezept „Kompressionskniestrumpf KL. II nach Maß“ und „Zustand nach Hauttransplantation“ auf´s Rezept schreibt – nein, es kommt genau auf die Wortwahl an, denn bei dieser Formulierung würde ich von der Krankenkasse „nur“ einen Standartstrumpf von der Stange finanziert bekommen. In meinem Fall würde der aber nichts nützen, da meine Wunde nicht auf Hautniveau, sondern tiefer liegt. Eine normale Kompressionsversorgung würde also die Narbe gar nicht erreichen und wäre somit nutzlos.

Doch das steht alles nicht auf dem Rezept und so muss das Rezept umgeschrieben werden. Die passenden Formulierungen gab mit die Fachkraft im Sanitätshaus glücklicherweise mit, so dass ich sie an die Plastische Chirurgie in Erlangen mit der Bitte zur Korrektur weiterleiten konnte. Doch da kam die nächste Hürde.

4. Hürde: Ambulanz der Plastischen Chirurgie

So eine Ambulanz in einer großen Universitätsklinik ist halt keine Hausarztpraxis, wo ich schnell mal vorbei gehe, um ein Rezept ändern zu lassen. Die sehr nette Dame vom Sekretariat der Plastischen Chirurgie versprach zwar, dass sie diese Rezeptänderung kein Problem ist und sie es der zuständigen Ärztin in der Ambulanz weiterleitet, die es dann per Post an mich zurückschickt, doch bis heute ist bei nichts angekommen.

Durch eine liebe Freundin der Familie, die selbst in einer Notaufnahme arbeitet, erfuhren mein Mütterleinchen, dass so eine Rezeptänderung in einer großen Uniklinik nicht so einfach zu realisieren ist. Die Änderung kann nur der Arzt vornehmen, der das Rezept ausgestellt hat, doch der ist nicht immer greifbar (Urlaub, Einsatz auf der Station, im Op). Ein anderer Arzt braucht dazu die passende Akte, in die er sich einarbeiten muss und diese Akte muss dazu erstmal besorgt werden. Ausgestellt kann ein Rezept auch nur in der Ambulanz und bis alle Voraussetzung gleichzeitig stimmen, kann es schon mal dauern (wenn so ein Auftrag nicht übersehen wird und im teilweise hektischen Krankenhausbetrieb untergeht)

Zum Glück habe ich nächste Woche noch mal einen Kontrolltermin in der Ambulanz und ich hoffe, dass ich dann direkt vor Ort das richtige Rezept mitnehmen kann. Mit dem passenden Kompressionstrumpf kann ich dann auch hoffentlich bald wieder in den Sport einsteigen.

Also bitte nochmal alle Daumen drücken!


kommt Zeit, kommt Naht
Sonja und die Monster im Kopf

Seiten: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
error: Content is protected !!