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Ich habe Diagnosen – und jetzt?

Diagnosensammelsurium

Wenn ich gefragt werde, was ich eigentlich habe, weshalb ich Rente beziehe oder warum ich krank geschrieben bin, antworte ich meistens mit dem Wort „Psyche“ oder „Depressionen“. Viele Menschen geben sich damit zufrieden bzw. trauen sich nicht oder wollen nicht weiter fragen. Manchmal mag/ kann ich aber auch nicht mehr ausführlicher antworten.

Natürlich gibt es auch Menschen, die geben sich mit dem einzigen Begriff nicht zufrieden und wollen unbedingt eine Diagnose. Dies sind vorallem Mediziner, medizinisches Personal und Behörden – also alle, die gerne Menschen in Schubladen stecken und als Kostenfaktor sehen.

Und da fängt mein Problem an:

DIE Diagnose gibt es nicht.

Wenn ich gut drauf bin, antworte ich meist mit: „Suchen Sie sich eine aus!“, denn inzwischen füllen zahlreiche Befunde, Berichte und Gutachten mit den unterschiedlichsten Diagnosen einen dicken Ordner:

  • von A wie Angststörung,
  • über M wie Magersucht
  • bis Z wie Zwangsgedanken

ist alles dabei.

In den letzten Jahren lernte ich verschiedene ambulante sowie stationäre Therapien in der Psychiatrie, in psychosomatischen Kliniken, sowie ambulante Rehamaßnahmen kennen. Vor, während oder nach diesen  Behandlungen gab’s dann für mich mehrere unterschiedliche Diagnosen aus dem psychischen/ psychiatrischen Bereich – sogenannte F- Diagnosen – die ich erhalten, wieder verloren oder erneut diagnostiziert bekommen habe.

Diese F-Diagnosen kann man – wenn man unbedingt will – im sogenannten ICD-10 (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme) nachschlagen. Dort werden im Kapitel V die psychischen und Verhaltensstörungen aufgeführt. Der Buchstabe F bedeutet einen Hinweis auf eine psychische Störung

Quelle und weitere Infos bei Wikipedia

Nach all den Jahren mit Therapeuten, Ärzten und den Sozialversicherungsträgern stehen für mich einzelne Diagnosen nicht mehr im Vordergrund, sondern ich konzentriere mich hier im Blog, aber auch im Reallife eher mehr auf mein Erleben und meinen Umgang mit den Auswirkungen meiner „gestörten“ Psyche, also meinen Monstern im Kopf.

Denn hinter jeder Diagnose steht ein Mensch mit seinen individuellen Problemen, die sich durch einen bestimmten „Zahlen- und Buchstabencode“ bei  Psychischen Erkrankungen nur unvollständig darstellen lassen. Doch um medizinische und therapeutische Hilfe zu erhalten sind diese Diagnosen und Codes nötig, da sie z.B. den Zugang zur Kostenübernahme bei den Krankenkassen darstellen.

Ja, auch ich wollte anfangs eine klare Diagnose. Ich dachte, wenn ich nur einen Namen für meine Krankheit habe, dann ist die Therapie, also die Bekämpfung und Heilung einfacher. So wie bei einer körperlichen Krankheit, bei der es nach der erfolgten Diagnostik eine passende Therapie gibt, wie z.B. eine Operation, ein Medikament oder die Ruhigstellung des entsprechenden Körperteils.

Leider ist die Psyche etwas komplexer und meistens spielt bei den auftretenden Symptomen, das Umfeld, die aktuelle Situation, die gemachten Erfahrungen und das Gegenüber eine Rolle wie stark das jeweilige Symptom auftritt. Psychische Krankheiten zeigen sich nicht nur durch offensichtliche Symptome, wie z.B. niedriges Gewicht, sichtbare Verletzungen, Essverhalten, Weinerlichkeit, Müdigkeit, sondern vor allem wie und was der betroffene Mensch denkt, was er fühlt und wie er bestimmte Situationen erlebt. Was für den einen Menschen eine Kleinigkeit ist, kann für den anderen eine große Herausforderung sein oder Angst auslösen, je nach dem welche Erfahrungen dieser Mensch vorher gemacht hat.

Inzwischen habe ich mich damit abgefunden, dass ich in keine bestimmte Diagnose-Schublade passe. 😉 Am ehesten noch in die Schublade „Traumafolgestörungen“, denn die ist groß und viele Diagnosen lassen sich dort verorten. Doch für meinen persönlichen Umgang mit meinen Monstern im Kopf und für die Therapie ist eine so eine Diagnose mit genauen ICD-Code nicht unbedingt nötig. Ich versuche einen gesunden Umgang mit meinen Symptomen, also mit meinen Monstern im Kopf zu finden, denn die sind nun mal da und ich kann sie leider nicht wegzaubern.

Meine Monster im Kopf interessiert es nämlich überhaupt nicht, nach welchem Etikett sie sich verhalten sollen, in welche Schublade sie gehören und welche Zahlenkombinationen für sie angedacht sind….im Moment machen sie (noch) zu oft was sie wollen…

Aber auch ohne klare Diagnose kann ich in den unterschiedlichen Therapien einiges für mich mit nehmen – positives und negatives. Ich lerne was mir hilft und von was ich erstmal Abstand nehmen muss, weil es mir eher schadet als nützt. Dies ist für jeden Menschen anders und muss einfach ausprobiert werden. Dies braucht einfach Zeit und Übung.

2 Gedanken zu „Ich habe Diagnosen – und jetzt?“

  1. Das ist eine gesunde Einstellung! Ich schüttle manchmal auch nur den Kopf darüber, wenn oft schon sehr junge Menschen mit zig verschiedenen Diagnosen versehen werden und man das Gefühl hat, dass das „Gesamtbild“ völlig aus dem Fokus rückt. Frei nach dem Motto: „ah, ein paar Diagnosekriterien von xy treffen zu, okay, geben wir die Diagnose! Ach, guck mal, von der treffen ja auch noch einige zu – dann kommt die noch dazu!“. Der nächste Behandler fragt dann etwas anders und -tadaaa- eine weitere Diagnose… usw.
    Schwierige Kiste. Gut, dass du dich darin nicht verlierst!

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