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Rückblick: Die ersten Zweifel an der Therapie

Ein Jahr ist es mittlerweile her, als bei mir die ersten Zweifel an meiner langjährigen Psychotherapie aufkamen. Zweifel daran, ob ich wirklich alle Themen in der Therapie ansprechen darf. Natürlich gab es auch vorher schon Momente, wo ich mit dem Verhalten meiner Therapeutin Schwierigkeiten hatte, doch
– entweder rückte dieses Problem aufgrund aktueller Schwierigkeiten außerhalb des Therapiesettings wieder in den Hintergrund
– oder ich vetraute nach Ansprache meiner Schwierigkeiten den Worten meiner Psychotherapeutin, dass sie schon genau wisse, was sie tut
und damit war das Thema erstmal beendet.

Sprechblockade

Doch das änderte sich letztes Jahr im Juni: damals hatte ich mal wieder große Probleme mit dem Reden in der Therapie. Es wollte einfach nicht klappen, irgendwie war ich blockiert, weil immer so eine Angst „mich nicht verständlich ausdrücken“ zu können und dadurch falsch verstanden, nicht ernstgenommen zu werden, mitschwang.

Dieses „Nicht Reden können“ belastete mich damals wahnsinnig, ich wusste einfach nicht, wie ich es ändern sollte, wie ich es schaffen sollte trotz der Blockade zu reden. Ich wollte dieses Thema unbedingt in der Therapie ansprechen und bearbeiten.

Anmerkung
Es ist ja nicht so, dass ich nicht weiß, was ich sagen will und mir auch Gedanken über das WIE machte, doch sobald ich bei meiner Therapeutin im Zimmer saß war alles weg bzw. nicht mehr wichtig/aktuell. Ich verstand meine, vorher mir mehr als wichtigen, Themen nicht mehr, konnte diese nicht mehr nachvollziehen. Auch wenn ich versuchte der Psychotherapeutin diese trotzdem mitzuteilen (schließlich haben die mich tagelang beschäftigt und teilweise sogar nicht schlafen lassen), kam mir dann alles so belanglos vor. Wenn das dann auch so bleiben würde, wäre es ja toll, doch sobald ich wieder daheim war, holte mich alles wieder ein und ich verstand mich nicht mehr.

Meine vorherigen Versuche mit der Psychotherapeutin über diese Sprechblockdade zu sprechen, waren an der Sprechblockade selbst gescheitert, ebenso die schriftlichen Versuche. Deshalb bereitete ich mich mit Hilfe meiner Ergotherapeuin extra auf diesen Psychotherapietermin vor und machte mir Notizen, zu dem was ich sagen will, was mich stört, wo ich irritiert bin, was mir in Bezug auf die Psychotherapie und mit meiner Therapeutin unklar ist.

Klärungsversuche

Ich nahm also meinen ganzen Mut zusammen und teilte der Therapeutin mit, dass es mir oft schwer fällt, mit ihr meine Probleme zu besprechen, weil ich sie mal nett, aber auch mal ziemlich verletzend wahrnahm und nie weiß, wann sie wie auf meine Themen reagiert. Sie hat daraufhin ziemlich patzig geantwortet:

„Ich bin immer gleich zu Ihnen.“

O-Ton Psychotherapeutin

Sofort verschlug es mir die Sprache und in meinem Kopf entstand ein großes Chaos. Alle Gedanken wirbelten durcheinander und ich hatte das Gefühl mich aufzulösen. Alle meine vorbereitenden Sätze zu den Gedanken und Wahrnehmungen waren wie weggeblasen. Plötzlich konnte meine gerade eben gestellte Frage nicht mehr nachvollziehen kann und schämte mich eher wegen meiner (unbegründeten?) Wahrnehmung. Am liebsten hätte ich mich deswegen in Luft aufgelöst und wäre verschwunden.

Gefühl sich aufzulösen

Die Therapeutin schwieg, fragte nicht weiter nach, ignorierte meine Verzweiflung und half mir auch nicht aus dem Chaos heraus. Ich hatte irgendwie den Eindruck, dass dieses Thema gerade nicht besprochen werden darf und hab’s daraufhin mal wieder so hingenommen… meine Therapeutin hat recht und ich nicht. Meine Wahrnehmung ist falsch.

Ich konnte mich daheim nicht mehr erinnern, was nach dieser Situation in der Praxis oder ob überhaupt etwas besprochen wurde. Das Chaos im Kopf blieb.

Chaos im Kopf

Wieder zu Hause ging mir der Termin nicht mehr aus dem Kopf. Warum habe ich es nicht in Frage gestellt? Warum habe ich nicht gegengefragt/ nicht gewehrt? Warum komm ich gar nicht erst auf die Idee? Erst jetzt, hinterher, kam ein komisches Gefühl und ich ärgerte mich über mich selbst, dass ich das nicht gesagt habe bzw. ich hab ja gar nix gefühlt – Außer: meine Wahrnehmung war falsch! Basta! Der Fehler lag bei mir und ich muss mich ändern. ..nur wie? Und schon fühlte ich mich wieder unfähig und zu blöd!

Manchmal denke ich, ich brauche Therapie um Therapie machen zu können – ein Gespräch, um die Therapiestunde nachzubesprechen, meine Wahrnehmungen zu überprüfen, Fragen die während und über das Geschehen in der Therapie entstanden sind, zu klären
und schon kam ich mir wieder blöd vor, zu blöd für eine Therapie.

Ich versuchte meine Gedanken und Fragen zu ordnen in dem ich, der Therapeutin eine Mail schrieb, was während und nach der Therapie in mir vorging. Damals durfte ich ihr noch Mails schreiben, wenn mich etwas belastete und sie las diese auch. Doch anstatt auf mein Problem mit dem „Nicht-Reden-Können“ einzugehen, antwortete sie mir:

eine Therapie per Mail bzw. überhaupt schriftlich ist nicht möglich!

O-Ton Therapeutin

Ich sollte dafür doch bitte die Termine in der Praxis nutzen.

wer bin ich?

Beim Lesen ihrer Antwort fühlte ich mich total unverstanden und irgendwie hilflos. Wie sollte ich ihr erklären, dass es zwischen der Sonja, die Mails schreibt und der Sonja, die in der Praxis der Therapeutin gegenüber sitzt, einen großen Unterschied für mich gab und gibt. Als ob es zwei verschiedene Personen sind, die sich zwar kennen aber die Probleme/Erlebnisse der jeweils anderen Sonja nicht verstehen/nicht nachvollziehen können. (Es gibt noch andere/weitere Sonjas (meine Monster im Kopf), die sich der Therapeutin gegenüber gar nicht äußern können, aber das ist ein anderes Thema).

Wer bin ich?

Ob meine Therapeutin mich und diese Mitteilungsversuche irgendwie nachvollziehen konnte, weiß ich nicht. Doch die ersten Zweifel kamen damals auf: ich hatte ich das Gefühl, durch dieses „Nicht-Reden-Können“ und das „Gefühl der 2 bzw. mehren Sonjas“ in der Therapie nicht weiterzukommen und die Themen, die mich sonst noch so beschäftigen, nicht „bearbeiten“ zu können. Dies zeigt sich auch daran, dass die Therapeutin ziemlich genervt beim vorherigen gemeinsamen Gespräch gesagt hat, dass ihr meine Themen schon bekannt sind, weil es immer die gleichen sind. Einen Weg da raus zu kommen, zeigte sie mir nicht und ich selbst wusste nicht wie……

Und heute?

Auch heute stelle ich mir immer noch die Frage, ob ich es damals schon (be-)merken musste bzw. konnte, dass mich die Therapie bei dieser Therapeutin nicht weiterbrachte. Habe ich etwas übersehen? Warum konnte ich ich nur schriftlich äußern und im persönlichen Gespräch fehlten mir die Worte? War ich überhaupt therapiefähig? Lag es an mir, dass es mir nach den Terminen immer schlechter ging?

Anfang Juli habe ich nun meinen ersten Termin bei der Traumatherapeutin und hoffe, dass ich mit ihrer Hilfe irgendwann mit der vorherigen Therapie und der ehemaligen Therapeutin abschließen kann.

8 Gedanken zu „Rückblick: Die ersten Zweifel an der Therapie“

  1. Du bist in meinen Augen ganz schön mutig und selbstbewusst geworden.
    Dein heutiger Bericht lässt eine grosse Verzweiflung erkennen, die jetzt aus dir herausgesprudelt kommt und die dein Herz und deinen Verstand immer noch umklammert.
    Ich wünsche dir von Herzen, dass deine Trauma Therapie dir einen neuen Weg der Verarbeitung deines Erlebten aufzeigt. Du bist es dir wert🤗

  2. Liebe Sonja,

    ich bin richtig erschrocken über das, was du geschildert hast. Hast du die Therapie mit dieser Therapeutin dann noch lange fortgeführt?
    Es war enorm mutig von dir, sie damit zu konfrontieren und auch, ihr eine Mail zu schicken. Wie schade, dass deine ganz tollen Versuche so gegen eine Wand gefahren sind. Solche Patienten wünscht man sich doch eigentlich, die wirklich was wollen, die die Initiatve ergreifen, die um Worte und Beziehung ringen!
    Mir steht es nicht zu, hier über eine Kollegin ein Urteil zu fällen, aber über eine Aussage darf ich das wohl: Man KANN gar nicht immer gleich zu seinen Patienten sein. Völlig unmöglich.
    Du hast dich ja gefragt, warum du dich in solchen Situationen quasi auflöst und nicht auf die Idee kommst, dich zu wehren und in die Konfrontation zu gehen. Bei dir scheint es ja um das Thema „Trauma“ zu gehen und da ist diese Reaktion doch völlig normal! Traumatische Erlebnisse erschüttern uns in unseren Grundfesten und manche Traumata nehmen uns das Vertrauen in unsere Wahrnehmung. Und da ist es ganz normal, dass man dann ein Gefühl der Auflösung bekommt. Das Gefühl, dass man nicht „richtig“ ist und dass das Gegenüber Recht hat und man jetzt besser still ist.
    (ich hoffe, ich habe dich richtig aufgefasst und es wiederholt sich nicht dein Gefühl, dass du nicht verstanden wirst – sonst bitte nochmal klarstellen! Ganz wichtig!! Und das wäre auch die Vorgehensweise gewesen, die ich richtig gefunden hätte. Gemeinsam ringen um das Verstehen, immer wieder vorsichtig nachfragen, offen bleiben, sich korrigieren lassen, bis du sagst: „jetzt ist es richtig“.)
    Ich wünsche dir sehr, dass du mit der neuen Therapeutin heilsame Erfahrungen machen darfst! Ich hoffe, du berichtest davon, wenn es dir nicht zu persönlich ist!

    Alles Liebe!
    Jessica

    1. Liebe Jessica,
      mir fehlen gerade etwas die Worte. Du kannst dir nicht vorstellen, wieviel mir deine Rückmeldung bedeutet, gerade von jemand Außenstehenden, aber vom Fach.
      Leider hat es noch über ein halbes Jahr gedauert bis ich den Absprung von dieser Therapeutin gewagt habe und ohne die Hilfe meiner Ergotherapeutin hätte ich das nicht geschafft. Sie hat ähnliche Worte gewählt wie du und mich so zum Nachdenken gebracht. Doch die Zweifel an meiner Wahrnehmung lassen sich nicht so schnell abschütteln. Gerade weil ich nur von meiner Sicht berichten kann und die Sicht meiner damaligen Therapeutin nicht greifbar, nicht bekannt ist, macht bis jetzt eine Verarbeitung der Vorkommnisse schwer. Die Fragen, ob ich die Situation richtig wahrnehme, richtig einschätze, ob ich meiner ehemaligen Therapeutin damit nicht unrecht tue, quälen mich noch immer.

      In der nächsten Zeit folgt bestimmt ein weiterer Beitrag meiner Zweifel und schließlich auch, wie der Therapieabbruch mein letzter Ausweg war. Deine und die anderen Rückmeldungen (außerhalb des Blogs) ermutigen mich dazu.
      Ob ich meine Erfahrungen mit der Traumatherapeutin schreiben kann, vermag ich jetzt noch nicht zu sagen – das wird die Zeit mit sich bringen.

      Vielen lieben Dank
      Sonja

      1. Liebe Sonja,

        vielen Dank für deine Antwort! Ich freue mich wirklich sehr, dass dir meine Rückmeldung so viel bedeutet.
        Es hätte mich sehr gewundert, wenn du geschrieben hättest, dass sich das Thema mit dem Zweifel an deiner Wahrnehmung schon erledigt hätte. Das sind meistens sehr hartnäckige Dinge.
        Aber vielleicht eine grundlegende Sache: deine Wahrnehmung KANN niemals falsch sein. Sie kann anders sein als die deines Gegenübers, aber das macht deine Wahrnehmung nicht falsch. Du HAST es ja schließlich so wahrgenommen und das kann dir keiner wegnehmen oder absprechen!

        Ich freue mich auf deine weiteren Beiträge! Alles Liebe nochmal!
        Jessica

  3. Ich bin gerade auch etwas sprachlos. Diese Therapeutin ist ja richtig schlimm. Wenn ich mir vorstelle, ich wäre auf so eine Person getroffen: also ich hätte mich, genau wie du „aufgelöst“ und wäre erstarrt. Was ich toll finde: Du hast im Nachhinein erkannt, dass da etwas schief gelaufen ist in der Kommunikation und du hast versucht, es über andere Kommunikationswege zu lösen. Das war wirklich mutig und stark. Und sorry, die Reaktion auf deine Mail von ihr war auch einfach richtig unsensibel und arschig. Ich weiß, es hilft nur bedingt, von anderen Fällen zu lesen. Aber bei mir, wo ich auch oft unter Sprachblockaden leide (was nicht am Therapeuten liegt), darf ich Mails schreiben und ich bekomme sogar immer sehr hilfreiche Antworten. (Und es war hier auch von Anfang an klar, dass keine Therapie und inhaltliche Auseinandersetzung per Mail stattfindet. Er hat aber auf all meine Fragen und Unsicherheiten immer geantwortet und so zumindest den „Druck“ bis zur nächsten Sitzung rausgenommen.) Vielleicht ist das aber auch einfach wichtig, dass die Therapeuten sich im Bereich Trauma auskennen. Das habe ich schonmal gemacht, aber nach diesem Text drücke ich nochmal doller die Daumen, dass die neue Therapeutin hier all das ist, was du brauchst und suchst. Viele liebe Grüße!

  4. Liebe Hanni,

    vielen vielen Dank für deine Offenheit und deine Rückmeldung zu meinen Erlebnissen…Sie machen mir Mut diese Dinge auch bei der neuen Therapeutin anzusprechen, denn bis jetzt ist die Angst groß, bei ihr nicht auf Verständnis zu stoßen, sondern dass weiter die „Schuld“ für das Scheitern in der Therapie bei mir gesucht wird, dass von mir erneut Dinge verlangt werden, die ich (noch) nicht kann oder für mich Hilfreiches verboten wird.
    Danke dir seeehr!

    1. Liebe Sonja,

      eins noch kurz: Schuld am Scheitern einer Therapie hat ein Patient m.E. höchstens dann, wenn er bewusst die Kooperation verweigert, obwohl er anders könnte. Sonst fällt mir kein Fall ein, bei dem ein Patient am Scheitern „Schuld“ wäre. Manchmal klappt es einfach nicht und das kann natürlich viele Gründe haben, aber „Schuld“ gibts nur bei bewusstem und beabsichtigtem Handeln, finde ich. Und davon scheinst du ja meilenweit entfernt. 🙂

      LG,
      Jessica

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